Breaking dusk...?

26.October 2010 - Kelowna


Die berühmte australische Mentalität muss entweder zu einer pandemischen Gewohnheit geworden sein, oder hat das beschränkende Adjektiv "australisch" nicht verdient. Nach dem heutigen Tag kann ich aus Erfahrung behaupten, ebendiese wenigstens zu einem Teil auch in Kanada erlebt zu haben. War ich zuvor noch voller Hoffnung auf den Arbeitsplatz im Big White Ski Resort, habe ich diese nach dem gestrigen Tag komplett verloren. Nichtsdestotrotz rufe ich die Assistentin erneut an. Zu verlieren habe ich dadurch jedenfalls nichts, und Klarheit über die Situation würde mir gut tun. Nicht nur, weil ich viel aufgeregter bin, als ich es von mir kenne, sondern auch, weil ich dann endlich weiter planen kann. Ich wollte einfach keine verbindliche Aussage abgeben, keine Vereinbarung treffen, bevor ich nicht sicher bin, ob ich im Skigebiet arbeiten kann. Noch dazu, da mir von allen Seiten wiederholt versichert wurde, man sei sich einig, dass ich den Job auf jeden Fall bekommen würde. Und zugegebenermaßen hatte ich selbst ein ganz gutes Gefühl bei der Sache. Aus meiner Sicht ist das Interview optimal gelaufen, und, wie bereits geschildert, sah meine Gesprächspartnerin das genauso.
Also geht das Warten auf eine Nachricht erneut los. Ich überlege sogar ernsthaft, nicht mit einkaufen zu gehen, obwohl wir eigentlich Zutaten für Rumkugeln holen wollen, und ich Zahnpasta brauche. Ich bin ja sehr wählerisch, was meine Zahnpasta angeht, von daher suche ich sie lieber selbst aus... Aber ich komme zu dem Schluss, dass man nicht von mir erwarten kann, einen weiteren Tag neben dem Telefon zu verbringen, nachdem ich schon vier Tage länger, als eigentlich vereinbart, gewartet habe.
Was für ein Glück. Als wir zurück kommen ist weder eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, noch in meinem E-Mail-Postfach. Erst eine gute halbe Stunde später findet sich eine unpersönliche und unverbindliche Absage unter den ungelesenen Mails. Auch wenn ich das schon erwartet hatte: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und das ist ihr letzter Moment. Inzwischen bin ich seit fast vier Wochen hier, und hatte, trotz zahlreicher Bewerbungen, bisher nur ein einziges Interview. Natürlich kann man nicht erwarten, dass gleich das erste Bewerbungsgespräch ein Erfolg ist. Und der Stapel an gerade recht kommenden, entschuldigenden Ausreden wächst noch in Anbetracht der aktuellen Wirtschaftslage: Der kanadische Dollar ist so schwach wie schon lange nicht mehr, die Arbeitslosenquote drastisch gestiegen. Das erkennt man allein daran, dass in den Schaufenstern der Läden, nicht wie gewohnt die "Help wanted"-Schilder aushängen. Nirgendwo. In den letzten Jahren, in denen ich hier war, sind sie mir schon gar nicht mehr als ungewöhnlich aufgefallen. Immerhin ist man das von Deutschland, vor allem in dieser Farbenpracht, nicht gewohnt. Dieses Mal ist mir ihre Abwesenheit dafür umso deutlicher bewusst. Mal ganz davon abgesehen, dass das Big White Skigebiet von Australiern geleitet wird, die vermutlich ihre Landsleute bevorzugen. Ja, in der Tat: Wenn Australier Work and Travel-Erfahrung suchen, gehen sie nach Kanada. Gleiches gilt übrigens umgekehrt für die Kanadier.
Und obwohl ich so viele fundierte Rechtfertigungen dafür finde, bis jetzt mit der Jobsuche erfolglos geblieben zu sein, kann ich nicht umhin, an dem ganzen Projekt zu zweifeln. Habe ich zuviel erwartet; von mir selbst und von der Situation in Kanada? Wie soll es weiter gehen? Werde ich noch einen Job finden, einen, auf den man sich wenigstens ein bisschen freuen kann? Ist DAS zu viel an Anspruch? Vielleicht wäre es besser, einfach abzubrechen, um mir weitere Enttäuschungen zu ersparen. Es kann nämlich wirklich anstrengend sein, einen Job zu suchen. Und noch anstrengender, so ganz ohne Vertrauensperson ungefähr 7900km von zu Hause entfernt zu sein. Noch dazu für eine so ungewohnt lange Zeit.
Nun, das alles zusammen bereitet mir doch ein paar Sorgen. Ich freue mich jedenfalls, dass ich meinem Aufenthalt morgen, als Volunteer im Krankenhaus von Kelowna, endlich einen kleinen Sinn geben kann.