Alltag

01.March 2009 - Sydney


Hallo allerseits! Jetzt haben wir uns ja wirklich schon laengere Zeit nicht mehr gemeldet. Aber zu Eurer Enttaeuschung muss ich sagen: so wahnsinnig viel Spektakulaeres gibt es nicht zu berichten. Wir gehen zur Schule und unternehmen nachwievor so gut wie nichts Touristisches. Ich erzaehle einfach mal so bissl was mir so einfaellt?
Mittlerweile sind wir schon 5 Monate in Australien. Irre. Der ganze Trip vergeht schon sehr schnell. Dennoch muss ich was komisches feststellen. Inzwischen fuehlt sich Australien irgendwie normal an. Ich weiss, das sollte es nicht. Aber es passiert einfach oefter, dass man aufsteht (vielleicht noch Fussball schaut; das waere dann hier genau vor der Schule), in die Schule geht und abends dann ?heim?kommt und sich erstmal mit was zu Essen aufs Bett haut, noch bissl fernschaut und das wars. Ich hab dann immer ein schlechtes Gewissen, denn wenn man schon in Australien ist, muesste man ja eigentlich 24 Stunden taeglich unterwegs sein in Sachen Sightseeing und so. Tja aber so ist es. Ist ja vielleicht auch ganz gut und der tiefere Sinn von so einem langen Auslandsaufenthalt, aber trotzdem komisch.
Ich schiebe die ganze touristische Nummer noch so ein wenig vor mir her und sage mir: Ich habe ja nach der Schulzeit noch 2 volle Wochen Sydney vor mir, da schaue ich mir dann alles an. Vietz war in den letzten 10 Tagen hingegen oefter in der Stadt und hat bereits den ein oder anderen Touri-Walk hinter sich.
Wie Ihr vielleicht wisst, wollten wir urspruenglich 4 Wochen an der Trinity bleiben, aber wir haben uns jetzt dazu entschieden, noch eine Woche dranzuhaengen. Morgen beginnt also endgueltig unsere letzte Woche in australischen Klassenzimmern. Fuer die verbleibenden 2 Wochen danach haben uns viele der netten ?Kollegen? schon etliche Tipps gegeben, was man in und um Sydney so alles machen kann und muss. Da wird uns sicher nicht langweilig werden. Soviel zur Gesamtsituation. Dann werde ich jetzt einfach mal kleinere Beobachtungen und Anekdoten auspacken, damit Ihr einen Eindruck kriegt, was wir immer so machen.

Mittwoch wurden wir eingeladen zu einer Art Lehrerstammtisch. Der 75-jaehrige, exzentrische Ex-Direktor der Schule laedt anscheinend viermal im Jahr die ehemaligen Weggefaehrten zum Italiener ein. Das war eigentlich auch sehr lustig. Es bestellt nicht jeder selbst, sondern es werden einfach immer Platten in die Mitte gestellt und jeder bedient sich. Dazu hat noch jeder Lehrer ein Flaeschchen Wein mitgebracht. Zu Beginn hat Ron, der Ex-Direx, mal jeden persoenlich auf seinen Platz eingewiesen, damit auch ja niemand neben jemandem sitzt, den er kennt. Naja alles sehr nett und witzig. Der vermeintliche Hoehepunkt war dann aber, als Ron zur Rede angesetzt hat. Erstmal wurde aufgestanden und stolz seine massive Bypass-Narbe praesentiert, woraufhin er Applaus und begeisterte Zurufe erntete (?I bet this is not the first airing for that scar??). Dann holt er sein ueber 10-seitiges Skript raus und faengt an. Anscheinend sind solche Reden sein Markenzeichen. Jetzt im Ruhestand schreibt er gerne mal Reden und hat auch schon Buecher veroeffentlicht. Diese Rede war inhaltlich hoechst religioes und hat uns von seiner Kindheit und seinem ersten Kirchenbesuch bis keine Ahnung wohin gefuehrt (schliesslich hab ich dann auch sehr bald abgeschaltet). Nach etwa einer halben Stunde war es geschafft. Dann wurde ueberraschend schnell gezahlt und sich verabschiedet. Irgendwie ein komischer Vogel, aber doch (wie die meisten Australier) sehr nett.

Cricket ist der einzige Sport, den man im australischen Free-TV verfolgen kann und so haben wir uns zwangslaeufig das ein oder andere Spiel reingezogen. Bill Bryson mutmasst in dem Reisebericht ueber Australien, den ich mittlerweile zum zweiten Mal angefangen habe, dass Cricket nur deshalb erfunden wurde, damit alles andere auf der Welt (zB Museumsbesuche, ?) furchtbar aufregend und spannend wirkt. Aber ich finde es inzwischen ganz okay. Die ganze Aufregung kann ich zwar nicht verstehen (die Cricket-Stars sind in jeder zweiten Werbung und in der Zeitung gibts taeglich mindestens 6 Seiten Cricket), aber wenn man sich das ganze bissl anschaut ist es schon ganz in Ordnung?

Ich trainiere seit einigen Wochen zwei Basketball-Teams der Schule. Und ich muss festhalten, dass es wirklich ziemlich (psychisch) anstrengend und nervig ist. Es laeuft so: in Australien muss jeder Schueler eine Winter- und Sommersportart waehlen (aehnlich wie in der Kollegstufe in Deutschland). Weil es im Sommer zu heiss ist fuer fast alles gibt es nur 4 Sportarten: Cricket, Schwimmen, Basketball, ? (Mist! Irgendwas faellt mir immer nicht ein.) Im Winter ist uebrigens Rugby mit grossem Abstand am beliebtesten und die Australier (nicht mal die Lehrer) haben in irgendeiner Form schonmal den Begriff ?Handball? gehoert. Also pro Jahrgangsstufe entscheiden sich sagen wir mal etwa 100 Jungs fuer Basketball. Dann wird aufgesplittet. Die 10-12 Besten spielen in der A-Mannschaft. Die Naechstbesten in der B und so weiter. Ich als Assistent und Helfer ohne abgeschlossene Ausbildung oder Trainerlizenz bekomme sinnvollerweise die G?s und H?s aufgebrummt. Ich habe ja schon erwaehnt, dass JEDER Schueler dabei ist. Also sind das nicht nur die absolute unsportlichsten und unfittesten Jungs jedes Jahrgangs, sondern (und das ist VIEL VIEL schlimmer) vor Allem auch diejenigen, die einfach NULL Bock auf Sport haben. Die kann man natuerlich auch nicht motivieren, indem man sagt: ?Hey wenn Ihr brav trainiert, dann spielen wir am Ende noch 15 Minuten.? Logisch, weil Basketballspielen ja die Hoechststrafe fuer jeden ist. Also ne schwierige Sache. Das Beste aber ist, dass jede Mannschaft jeden Samstag ein Spiel hat. Weil die Schule ja taeglich bis vier Uhr dauert, gibt es in Australien kaum Sportvereine. Das System ist aehnlich wie in den USA. Die Schulteams spielen regelmaessig gegeneinander. Also muss jeder Schueler (egal was er von Sport haelt) am Wochenende in der Halle vor Publikum auflaufen. Und das ist einfach das Tollste!!! Wenn dann am nach der Stunde der eigentliche Trainer/Betreuer kommt, und sich wegen Samstag erkundigt (unter der Woche trainiert er die C?s und D?s), laeuft es so ab: Mr Mok (so heisst er) kontrolliert die Anwesenheit und sieht, dass alle 18 da sind, aber pro Mannschaft nur 8 gebraucht werden. Also ?muessen? 2 Spieler pausieren. Das Geschrei ist UNVORSTELLBAR. Da gehts zu wie auf der Titanic, weil sich drum gepruegelt wird, wer am verletztesten ist und wer nicht fuer die Schule spielen muss. Unglaublich. Der Gipfel ist, dass die H?s ungeschlagener Tabellenfuehrer sind und auf dem besten Wege, einen Rekord aufzustellen. Und der Topscorer der Mannschaft ist den Traenen nahe, aber nicht etwa, weil er ein Spiel wegen einer Verletzung verpasst, sondern weil er schon wieder spielen muss und er doch schon die letzten 3 Spiele gespielt hat. Wow. Wie gesagt echt anstrengend.

Doch das ist also nur das Problem mit den niedrigeren Stufen. Die Trinity Grammar School bringt auch hervorragende Sportler hervor. Bestes Beispiel ist der 17-jaehrige Superschwimmer Kevin To, der saemtliche Rekorde von Ian Thorpe gebrochen hat und bei den naechsten olympischen Spielen anscheinend sicher dabei sein wird. Naechsten Donnerstag werden wir ihn mal bei den CAS (Catholic All Schools) Meisterschaften bewundern.

Am Freitag wurden Michi und ich zu einem kleinen Lehrer-Tennisturnier eingeladen. Ich war eher skeptisch, schliesslich habe ich seit 15 Jahren nicht mehr gespielt und ich wollte ja den frueheren Tennisstern am Goettinger Himmel nicht so furchtbar im Stich lassen. Nach 2 bitteren 1:6-Klatschen (unter anderem gegen unsere "Erzfeinde" Ash Lucas und "Pistol Pete" Goetze haben wir wenigstens gegen das lustige Musiklehrer-Team ein 7:0 geholt und uns mit Anstand verabschiedet. Alles in allem hat es trotz der Ergebnisse Spass gemacht (zumindest mir) und ich habe ueberlegt, mal wieder oefter Tennis zu spielen. Von der Konkurrenz wurde mir auch attestiert, dass ich mich in der halben Stunde Spielzeit bereits stark verbessert haette und dass meine Vorhand "beeindruckend" sei. Doch Spielertrainer Vietz versicherte mir, dass sie "schlecht, sehr schlecht" sei. Darum werde ich es wohl doch lassen und die naechste 15-jaehrige Pause einlegen. Im Profi-Fussball steckt eh mehr Geld... Danach (und eigentlich auch schon waehrend der Spiele) wurden wir von den (wie immer) sehr netten Kollegen mit Bier und Grillzeugs versorgt, bevor uns Ashley wieder zurueck in unsere Unterkunft chauffiert hat.

Hier hat es uebrigens durchschnittlich wohl etwa 20 Grad, also ist es laengst nicht mehr so heiss, wie die meiste Zeit ueber in Australien. Aber der Regen, der uns die letzten Wochen verfolgt hat, ist mittlerweile weg.

Mir ist natuerlich klar, dass Fotos das Salz in der Suppe eines jeden Beitrags sind, aber damit kann ich jetzt leider nicht dienen. Der Mihi wird bei Gelegenheit noch welche nachlegen.
Viele liebe Gruesse! Nur noch 6 Wochen und wir sind schon wieder daheim!!