china nach fast 1 Jahr

14.April 2013 - shanghai



Ich will mal auf fast ein Jahr China zurueckblicken.

Die Chinesen haben mich immer recht neugierig angeschaut. Es ist auch nicht ungewoehnlich, wenn sie stehenbleiben und einen anstarren. Bettler kommen gern auf mich zu. Ich glaube sie denken, dass ich zuviel Geld habe. Grade beim Reisen in Touristenorte oder kleinere Provinzen, werden Taxifahrer reichlich unverschaemt. Sie machen Ihre Taxiuhr nicht an und verlangen 5fache Preise oder fahren Umwege. Auch wenn letztendlich die Polizei dabei ist, bleiben sie bei ihrer Geschichte. Restaurants verlangen manchmal hoehere Preise als in Shanghai und sind nicht verlegen alle moeglichen Gruende hierfuer anzugeben. Ein Souveniergeschaeft nahe dem beruehmten Yu Garten hat mir einst eine bemalte Vase mit ausgepreisten 2800 yuan fuer 800 yuan angeboten. Nachdem ich sie nicht wollte, sollte ich einen Preis vorschlagen. Am Flughafen gabs die vase fuer 350 yuan. Ich denke, dass es nicht gut ist bei unangenehmen oder pennetranten Verkaeufern einzukaufen und man mindestens auf die Haelfte runterhandeln sollte.

Als Europaer wurde ich oft besonders behandelt. Mir wird zB. bei Tisch oft angeboten zuerst von den Speisen zu nehmen, selbst wenn grad der TaiChiMeister Geburtstag hat, die Leute versuchen mit mir in Kontakt zu kommen und freuen sich sehr wenn ich chinesisch rede - schon allein weil vielen unangenehm ist englisch zu sprechen. Eine Sache ist verwunderlich. Sofort nach der Begruessung oder nach einem kurzen Satz chinesisch, hoer ich, dass ich schoen aussehe und sehr gut chinesisch spreche. Es macht fuer mich keinen Sinn, aber irgendwas treibt die Chinesen wohl dazu es zu sagen. Untereinander machen sich Chinesen nicht solche Komplimente.

Der Laerm und das chaotische bzw. nahezu ruecksichtlose Treiben im Alltag ist reine Gewoehnungssache. Je unsicherer oder unentspannter ich bin, desto mehr stoert es mich.

Gerade in Restaurants wird nicht so sehr auf Ordnung und Ruhe geachtet, es scheint mir wichtiger fuer die Chinesen das alles rumwuselt. Ich glaube sie fuehlen sich wohl, wenn viel geplappert wird und die Stimmung sehr ausgelassen ist. Es ist wie bei einem grossen Familienfest. Vielleicht ist das Oktoberfest nicht anders. Wer abgeschieden sein will kann ja in ein Zimmerchen gehen. Das hat etwas ureigenes, wie ich finde. Ich hatte immer das Gefuehl, hier hat sich vor hundert Jahren die Maffia getroffen um ihre kleinen Geschaefte zu besprechen. Ich bin sicher, diese Art der Geschaeftemacherei wird nun von den Reichen als Privileg celebriert. Als ich einst in einem Vorort von Shanghai war, gab es wie ich oefter schon erlebt habe, eben diese Zimmerchen, wo man unter sich ist. Wir sassen, wie ueblich an einem runden Tisch mit Drehplatte in der Mitte und hatten zu fuenft vermutlich mehr als 12 Speisen. Darunter auch Delikatessen wie die Seeohrmuschel. Danach sind wir zu einem Massagehaus gefahren. Hier hatte unser Gastgeber ebenfalls ein Zimmer bestellt. Ausgestattet mit Bad, drei Sesseln und natuerlich Fernseher. Zum Tee gab es Obst. Die drei Masseusen haben zuerst die Fuesse massiert, danach kam jemand mit Stirnlampe. Hierzulande werden also auch ganz normal das Putzen der Ohren mit bisschen Massage angeboten.Waehrend noch der Rest vom Koerper massiert wurde, waren die Masseusen nicht verlegen die Kundschaft nach mir auszufragen oder mit uns zu witzeln und zu kichern.

Massage hier in Shanghai muss nicht teuer sein. Wir gehen hin und wieder in einen kleinen Salon wo wir jeder fuer eine Stunde 40 Yuan, ca. 5 Euro, zahlen. So toll von Anfang an war es nicht. Es geht hier nicht um eine Wohlfuehlmassage. Es scheint mir eher eine Druckmassage, was mitunter etwas unangenehm sein kann, besonders wenn man nicht faehig ist der Masseuse zu verklickern, dass sie etwas feiner arbeiten soll und sie es auch nicht am Gesichtsausdruck oder am Fingerzucken erkennt. Mitunter hatte ich auch das Gefuehl, dass der Schmerz gewollt ist, aus rein therapeutischen Gruenden. Nach einer Weile gewoehnt man sich dran und manche Chinesen finden es so angenehm, dass sie sogar dabei einschlafen. Ich hab mich auch daran gewoehnt, dass ueberall der Fernseher zu hoeren ist, dass die Raeume nicht so sehr sauber sind und wenn man Pech hat, der Dunst von den Rauchern der Fussmassage hochzieht.

China ist ein Land zum Abgewoehnen. All die deutschen Normen, Ordnung und Zettelkram. Manchmal muss ich den hoeheren Sinn hierfuer in Frage stellen. Einst hat ein Chinese gesagt, er glaubt nicht an die Umweltpanikmache. Er denkt, dass wird nur erzaehlt um neue Qualitaetsstanddards zu schaffen, die bestimmte Konkurenz ausschliesst.

China scheint mir freier, natuerlicher, ambivalent schoen. Ich war anfangs staendig versucht, alles einzuordnen, zu vergleichen, zu bewerten oder noch schlimmer, zu verurteilen und zu kritisieren. Irgendwann muss man davon ablassen, sonst blockiert man sich. Dinge nicht zu verstehen ist sehr frustrierend.
Aber ich glaube Chinesen sind nicht so schwer zu verstehen. Sie sind das was sie sind und wissen und machen das, was sie gelernt haben. Und wir tun auch nur das, was wir gelernt haben. Wenn ich gelernt habe kritisch mit Problemen umzugehen und alles zu hinterfragen, dann werd ich vermutlich auch so handeln. Wenn ich das nicht gelernt habe und mir niemand vorgelebt hat, wie soll ich ploetzlich derart handeln.

Ein Chinese hat mal ueber Chinesen gesagt, sie sind wie Kakalaken, sie ueberleben alles. Auch wenn ich mich mit der Historie nur sehr grob befasst habe, scheint mir China sehr wandlungsfaehig. Krisen werden immer auch mit Humor genommen. Humor ist hier sehr wichtig und so mancher traditionsbewusste, feingeistige Deutsche wuerde voller Verachtung reissaus nehmen. Rotwein und Sprite schmeckt manch Chinesen eben besser. Je nach Genuss wird gehandelt, nicht fuer irgendein Produkt, einen Hersteller, eine jahrhundertlange Tradition. Manchmal denke ich, der Chinese kann aus allem einen grossen Witz machen und es ist eben seine Art unsere westliche Welt zu hinterfragen. Das ist grossartig. In wieweit er das bewusst macht, will ich nicht beurteilen.

Mir scheint der Deutsche denkt und gruebelt oefter ueber das Leben. Es wird vorausgeplant und abgesichert. Der Chinese lebt das Leben mit all seinen Facetten. Schoen wenn sich beides ergaenzt, nicht ausschliesst.

Oft kommt einem die Frage, warum ist das in China so, warum ist es anders als in westlichen Staaten, grade weil man den Eindruck hat, dass China alle Moeglichkeiten hat, die es auch in den Westelichen Staaten gibt. Der Chinese antwortet dann gern, es sind einfach zu viele Menschen. Und obwohl es wie eine Ausrede klingt, kann ich es nach einem Jahr nachvollziehen. Vielleicht sollte man aber auch nicht in Dimensionen einer Kleingartensparte, sondern eher eines Dschungels denken.