Newtown, Balmain und Sydney Museum

17.April 2012 - Sydney


In meinen verbleibenden zwei Tage in Sydney (die zwei Tage vor dem Heimflug nicht eingerechnet) wollte ich die Viertel erkunden, die den Ruf haben, etwas `alternativer` zu sein: Neben Glebe sind das Newtown und Balmain. Balmain interessierte mich zudem, weil Lucinda dort gewohnt hat (womit wir wieder beim Thema wären). In erster Linie hoffte ich jedoch, Viertel wie Fitzroy oder Richmond zu finden, mit ausgefallenen Shops, da ich noch ein paar Mitbringsel kaufen wollte.

Mein ursprünglicher Plan war, zu Fuß nach Balmain zu gehen, über die Anzac Bridge, eine große Schrägseilbrücke, die fast ebenso beeindruckend ist wie die Harbour Bridge (imho). Balmain liegt nördlich von Glebe, auf der anderen Seite von Rozelle, Blackwattle und Johnstons Bay. Da man Balmain vom Hostel aus sehen konnte, dachte ich nicht, dass es so besonders weit wäre, als ich jedoch an der Blackwattle Bay entlang ging musste ich feststellen, dass die Brücke viel weiter entfernt war, als es zunächst aussah und mich verließ die Lust, die ganze Strecke zu laufen. Zumal es immer noch sehr heiß war. Sydney hatte gerade die heißeste Nacht seit 38 Jahren hinter sich, mit einer Temperatur von 31 Grad um vier Uhr morgens.

Stattdessen ging ich nach Newtown im Süden von Glebe. Ich kam so auch durch den Victoria Park, der näher betrachtet jedoch eine ziemliche Enttäuschung war. Ebenso Newtown. Auch wenn es einige ramponierte Reihenhäuser ähnlich wie in Northcote und vielleicht ein oder zwei `okaye` Geschäft gab, konnte ich nicht erkennen, was an dem Viertel so besonders alternativ ist. Ich glaube, die Gentrifizierung ist schon zu weit vorangeschritten. In Glebe etwa sind die Immobilienpreise mittlerweile so hoch, dass das YHA von der Schließung bedroht ist. Beeindruckt war ich nur von dem riesigen Wandgemälde, das Martin Luther King zeigte und auch das pinke Theater fand ich irgendwie reizvoll.

In der Bibliothek schaute ich mir die Gegend auf dem Monitor noch einmal genauer an und fand eine zweite Route nach Balmain. Man konnte nämlich auch am westlichen Ende der Rozelle Bay entlanggehen, was ich am nächsten Tag ausprobierte. So waren es nur vier Kilometer nach Balmain, obwohl die Route über die Anzac Bridge mit 5,5 Kilometern gar nicht so viel länger ist als ich gedacht habe. Na ja, um es kurz zu machen: Auch von Balmain war ich ziemlich enttäuscht. Es gab zwar einige nette Gebäude, aber das war es auch schon. Für den Weg in die City nahm ich dann aber den Bus, was auch immerhin eine Stunde gedauert hat. Zwischendurch gab es eine Fahrkartenkontrolle, in Folge derer eine Frau aussteigen musste, da ihr Ticket nicht genug Tarifzonen abdeckte. Meins glücklicherweise schon, aber wie gesagt, das ist alles sehr unübersichtlich.

Da es erst ein Uhr war, ging ich ins Sydney Museum, schließlich war ich in New South Wales noch in keinem Museum gewesen. Der Eintritt betrug ganze zehn Dollar, auch das ein Preisrekord, aber dafür war der Kassierer ausgesprochen nett. Die erste Ausstellung dreht sich um die First Fleet und zeigte alle Schiffe als Modell. Interessanterweise kamen fast alle Passagiere trotz der lange Reise wohlbehalten in Botany Bay an, auf der Heimreise jedoch starben viele Besatzungsmitglieder an Skorbut, wahrscheinlich mangels ausgewogenem Proviant. In der Kolonie waren Nahrungsmittel nämlich so knapp, dass der Diebstahl mit dem Tod bestraft wurde.

Es gab auch mehrere Meutereiversuche auf den Schiffen, deren Beteiligte in Folge auf dem Gefängnisschiff `Friendship` eingebuchtet wurde. Es gab `male-only` und `mixed` Schiffe, aber keine, auf denen sich ausschließlich Frauen befanden. Damals galten Frauen als böser als Männer, weswegen reine Frauenschiffe wohl als zu gefährlich angesehen wurden. Für die Statistik: Die Hälfte der Convicts kam aus London.

Anschließend ging es um Sydney an sich. Es gab auch einige Fotos aus den 1860ern, sodass ich mir vorstellen konnte wie es ausgesehen hat, als Oscar dort angekommen ist. In erster Linie ging es um die Entwicklung Sydneys zur größten Stadt Australiens, was ja ganz interessant ist, es störte mich jedoch sehr, dass die Museumstexte nur so vor Häme und Schadenfreude trieften weil Melbourne `nur` die zweitgrößte Stadt ist. Pah! Sydneys Ruhm beruht allein auf zwei Bauten, da sollten sie den Mund nicht so voll nehmen.

In der Ausstellung `Storytelling` konnte man sich mehrere Videos ansehen, in denen Schauspieler als Convicts, Sklaven und Geschäftsmänner aus dem neunzehnten Jahrhundert auftraten, das war sehr interessant. Insbesondere die Geschichte einer Aboriginefrau, die ihr Kind im Government House zur Welt bringen wollte, um es als traditionelles Land beanspruchen zu können. In Sydney kamen weiße und schwarze dabei noch verhältnismäßig gut miteinander aus, auch wenn viele Aborigines entführt worden waren. Sie arbeiteten häufig als Übersetzer, und wohl auch wegen dieser Vermittlerrolle verzichtete Gouverneur Phillip auf Rache, als ein Aborigine in mit einem Speer an der Schulter verletzte, aus Wut über die Entführungen.

Die Sonderausstellung trug den Titel `An Edwardian Summer` und zeigte die Bilder eines gewissen Arthur W. Aden, die er in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg aufgenommen hat. Aden war Geschäftsmann und hatte vier Kinder, die er bei Besuchen auf dem Land fotografierte, das war sehr interessant. Trivia: Im frühen 20. Jahrhundert war es verboten, tagsüber schwimmen zu gehen, weil es als unzüchtig galt. Die Leute hat das allerdings wenig gekümmert. Das größere Problem war vielmehr, dass die Ganzkörperbadeanzüge oft aus Wolle bestanden, was das Schwimmen nicht gerade erleichterte. Ohnehin waren die meisten Leute damals keine guten Schwimmer, sodass die Kleidungsvorschriften oft eine echte Gefahr darstellten.

Die letzte Ausstellung zeigte Luftaufnahmen der Vorstädte, was ich persönlich aber nicht so spannend fand. Ansonsten ist das Sydney Museum aber durchaus zu empfehlen. Meine Abende im Hostel verbrachte ich nach Rosis Abreise übrigens mit ihrer Freundin Tina. Tina war eine Engländerin in den Fünfzigern und einer der nettesten Menschen, die ich je getroffen habe. Außerdem hat sie nicht geschnarcht, was meine Sympathie für sie noch verstärkt hat. Nur dass sie mich immer zum Packen drängelte hat mich etwas gestört. Sie verbrachte insgesamt drei Monate in Oz und drei Monate in Kanada - nach ihrem Besuch in Sydney flog sie nach Vancouver. Sie hatte eine erstaunlich kleine Tasche, die sie schon drei Tage vor Abreise fertig gepackt hatte. Auch war sie bemüht, die Anzahl ihrer Kleidungsstücke zu reduzieren und ermunterte mich, dasselbe zu tun. Ich wollte meine restlichen Sachen aber behalten.

Wenn sie mich also gefragt hat, wann ich denn nun endlich packen würde, antwortete ich immer morgen, aber natürlich packte ich erst am letzten Vormittag. Da sie ja schon alles fertig hatte, schaute sie mir dabei zu. Da der Platz in meiner Tasche immer noch begrenzt war, rollte ich meine Kleidung, was Tina regelrecht erstaunte. Sie hatte nämlich nicht damit gerechnet, dass ich alle meine Sachen in meine Tasche bekommen würde, aber es passte. `That`s brilliant!` rief sie aus, sie war sogar so begeistert, dass sie überlegte, ihre Tasche noch einmal mit meiner Methode zu packen, aber ich überredete sie dazu, das auf Kanada zu verschieben. So hatten wir einen ganz lustigen Abschied.

Ja, und das war es schon fast zu Sydney. Nach meinem viertägigen Ausflug in die Blue Mountains verbrachte ich zwar noch einmal zwei Tage dort, aber nicht mehr zum Sightseeing. Ich unterstreiche noch mal meinen ersten Eindruck: Sydney ist nett und Opernhaus und Harbour Bridge sind ohne Frage beeindruckend, aber sonst halte ich die Stadt für überschätzt. Alles was es in Sydney gibt, gibt es woanders noch in besser: Melbourne hat die schöneren Parks und die interessantere Subkultur, Canberra hat bessere (und vor allem mehr) Museen, Perth hat die schöneren Strände usw., usw. Aber wie gesagt, möglicherweise hätte ich das anders wahrgenommen, wenn Sydney meine erste und nicht meine letzte Station gewesen wäre.

Fotos von den drei `Szene-Vierteln`: 179-197 von https://picasaweb.google.com/112832636567485452029/Sydney?authkey=Gv1sRgCMbLlIqw26PndQ


Beim nächsten Mal geht es also von der Großstadt in die Wildnis.

Es grüßt

Euer Hobo Girl