...Raise Your Hands!

09.April 2012 - Sydney


Zum einen gab es die `Noise`-Songs wie `Too Much`, `Get Real Get Right` und natürlich `Age of Adz`, bei dem ich immer wieder begeistert bin, wie es sich von einem `wunderschönen Stück Lärm`, wie Jeff Tweedy sagen würde, zur wunderschönen Hymne wandelt, wenn auch zu einer sehr traurigen, denn es heißt dort: `I`ve lost the will to fight, I was not made for life.` Zum anderen waren da die eher leiseren Stücke wie `Heirloom` (das vielleicht noch am ehesten an Illinois-Zeiten erinnert) und `The Owl and the Tanager`, bei dem Sufjan selbst am Klavier saß (sonst hat er hauptsächlich Gitarre gespielt) und bei dem er nur gegen Ende von leisem Backgroundgesang und den beiden Schlagzeugern unterstützt wurde. Und dann gab es noch die Songs irgendwo dazwischen: `Vesuvius`, `Futile Devices` und das von mir innig geliebte `I Walked`, obwohl das Getanze am Anfang ja ein bisschen im Gegensatz zu dem sehr ernsten Inhalt stand. Ich liebe die Zeile `For at least I deserve more, for at least I deserve the respect of a kiss goodbye`, und meine Lieblingsstrophe hat er sogar zweimal gesungen: `Lover, will you look at me now/I'm already dead
but I've come to explain why I left such a mess on the floor/For when you went away I went crazy/I was wild with the breast of a dog/I ran through the night with the knife in my chest with the lust of your loveless mind`.

Es war auch schön, dass Sufjan zwischendurch ein bisschen was erzählt hat, da er als ziemlich schüchtern gilt. Ich war auch überrascht, dass er sogar ganz witzig ist: `Okay, das waren jetzt drei ziemlich harte Songs: Der erste handelte von meteorologischen Desastern und dem Ende der Welt, der zweite von Liebe und dem Ende der Welt und der dritte von der Apokalypse und dem Ende der Welt`. `Ich war so ungefähr 25 mal an den Niagarafällen, und selbst wenn ich auf Medikamenten war und es mir gut ging, wollte ich runterspringen ? to commute with nature`. Oder bei `All For Myself`: `Dieser Song ist über Selbstsucht: Ich, ich, ich, Exklamationen, Deklarationen. Genug davon. Dieser Song handelt von Liebe.`

Interessant war auch, was er über die Arbeit an dem Album erzählt hat: Dass es als Folge einer persönlichen Krise entstanden ist (`a headache and a lot of heartache`). Später habe ich erfahren, dass er sechs Monaten an einer Nervenkrankheit inklusive starker Schmerzen gelitten hatte, deren Ursache den Ärzten ein Rätsel aufgab, bis die Symptome so plötzlich verschwanden wie sie aufgetaucht waren. Zu Beginn der Produktion hatte Sufjan endlos lange Electronica-Stücke aufgenommen, bevor er Royal entdeckt hat, der aufgrund der gemeinsamen Vorliebe für `the bible, God, numerology, astrology, the apocalypse, space ships and comic books` zu seiner `Muse` geworden ist. Als er auf dem College mit dem Songschreiben angefangen hat, so meinte er, hätten seine Songs nur aus E- und A-Dur-Akkorden bestanden und waren nur so zwei, drei Minuten lang, `But now? 25, 35 Minutes... More is more was always my mantra. I'm a maximalist.`

Dementsprechend hat er dann auch `Impossible Soul` gespielt, das hätte ich nicht gedacht, weil es einfach so lang ist (25 Minuten), aber andererseits macht es auch Sinn, weil es ja noch mal quasi das Album in a nutshell ist. Na ja, der Song ist schon eine Herausforderung, aber vor allem den `Boy, we can do much more together`-Teil mag ich sehr gerne. Auch von der Show her war es der Höhepunkt, als es im letzten Drittel des Songs plötzlich Ballons und Konfetti geregnet hat, das war echt herrlich bescheuert! Fast alle haben getanzt und Ballons durch die Luft geschlagen.

Das war das vorläufige Ende, aber die Leute sind völlig ausgeflippt, so dass Sufjan nach minutenlangem Klatschen, Rufen, mit den Füßen trampeln und Ballons zerplatzen noch mal auf die Bühne kam, nun in normaler Kleidung. Er hat dann den Song gespielt, mit dem seine `space obsession` begonnen hat, natürlich `Concerning the UFO Sighting near Highland, Illinois`. Danach gab es noch eine wunderbar intime Version von `John Wayne Gacy Jr.`, ein Song über den gleichnamigen Serienkiller und, wieder mit Band, `Chicago`, sein wohl bekanntester Song, der perfekte Abschluss. Das Publikum war außer Rand und Band, aber ich glaube, er hat sich gefreut, dass es minutenlange stehende Ovationen gab. Ich war ganz froh, dass er auch noch ein paar ältere Sachen gespielt hat (aber glücklicherweise nichts von Enjoy your Rabbit, was sich angeboten hätte, da chinesisches Neujahr war und dazu noch das Jahr des Hasen, das in Sydney übrigens groß gefeiert wird).

Fazit: Perfektion? Ich hatte ja sehr große Erwartungen, zumal der ganze Spaß auch fast 100 Dollar gekostet hat, aber meine Erwartungen wurden mehr als übertroffen. Ich glaube wirklich, dass dies das beste Konzert war, das ich jemals gesehen habe, und dass obwohl ich schon viermal bei Bob Dylan war. Eigentlich war es nicht mal ein Konzert im eigentlichen Sinne, Owen Pallett nannte es eine Extravaganza, was schon besser passt, aber eigentlich müsste man ein neues Wort dafür erfinden, weil ich nichts vergleichbares kenne. Alles war natürlich total übertrieben, aber es war wirklich perfekt. Sein Versprechen uns zu unterhalten hat er auf jeden Fall eingehalten. Großartige Musiker und eine großartiger Sufjan. Das waren zwei wunderbare Stunden und ich bin so froh, dass ich dabei war. Vier Monate später habe ich ihn übrigens noch einmal in Essen gesehen, was genauso gut war, sogar noch ein bisschen verrückter.

Um halb zwölf wollte ich nicht mehr zu Fuß nach Glebe laufen, also habe ich den Bus genommen. Zwischendurch geriet ich etwas in Panik, da ich vergessen hatte, nachdem Code für die Tür zu fragen, und um diese Zeit war natürlich niemand mehr an der Rezeption. Noch ein Grund, warum ich keine Lust mehr auf Hostels hatte. Als ich ankam, saß aber glücklicherweise jemand draußen, den ich fragen konnte, sodass ich nicht auf jemand warten musste, der die Tür öffnen konnte.

So viel zu Sufjan. Drei Videos von genau diesem Konzert gibt es übrigens bei YouTube unter: http://www.youtube.com/watch?v=gc6uSgXgoeg&feature=results_main&playnext=1&list=PLCFB3FB30DDF7062B

Und die Setlist:
1. All Delighted People
2. Too Much
3. Age of Adz
4. Heirloom
5. I Walked
6. All for Myself
7. Vesuvius
8. The Owl and the Tanager
9. Get Real Get Right
10. Futile Devices
11. Impossible Soul
12. Concerning the UFO Sighting near Highland, Illinois
13. John Wayne Gacy, Jr.
14. Chicago

Die Fotos vom Coogee to Bondi Walk: 118-137 von https://picasaweb.google.com/112832636567485452029/Sydney?authkey=Gv1sRgCMbLlIqw26PndQ


See you next time,

Euer Hobo Girl