Das Tor Australiens 1

04.April 2012 - Sydney


Nach einer Woche war es Zeit für mich, Canberra wieder zu verlassen. Ich war wirklich sehr positiv überrascht von der Stadt und kann gar nicht verstehen, warum die meisten Backpacker einen Bogen darum machen. Okay, wenn man sich überhaupt nicht für Museen, Politik oder Architektur interessiert, dann macht es keinen Sinn nach Canberra zu fahren, aber alle anderen sollten einen Abstecher ernsthaft in Erwägung ziehen.

Meine nächste und vorletzte Station war Sydney. Eigentlich ist das schon ungewöhnlich, dass Sydney ganz am Ende meiner Route lag, denn für den allergrößten Teil ist es die erste Anlaufstelle in Australien, es heißt daher auch `The Gate to Australia`- Das Tor Australiens. Vom Wetter hatte sich meine Route jedoch angeboten, außerdem interessierte mich Sydney einfach nicht so wie die meisten anderen Städte, New South Wales an sich aber schon, er ist schließlich `der erste Staat`.

Da es von Canberra nach Sydney nur 300km sind nahm ich den Bus, Greyhound hatte die Strecke netterweise sogar im Sonderangebot und das obwohl der der Bus auf den letzten Platz besetzt war. Ich wollte eigentlich schlafen, doch im Fernsehen lief Crocodile Dundee II, der beinahe ohne Dialoge auskommt und fast nur aus Prügelszenen besteht. Außerdem war es furchtbar heiß, was ja schon ungewöhnlich ist, denn normalerweise laufen die Klimaanlagen in Reisebussen ja immer auf Hochtouren. Zu allem Überfluss kamen wir am Rande Sydneys in einen Stau, was natürlich schon mal passieren kann, aber für die Leute, einschließlich mir, schon anstrengend war. This old grey dog gets paid to run! Hinzu kam, dass die Personen links und rechts neben mir fast ständig telefoniert haben. Das Mädchen links versorgt ihren Freund alle zwei Minuten mit Updates, während der Junge rechts im ungefähr selben Zeitintervall von seiner Mutter angerufen wurde, die wissen wollte, wann denn nun der Bus ankommt. `Nein, Mum, wir stehen immer noch an der selben Stelle!`

Neben dem Verkehr wirkten vor allem die Preise Sydneys reichlich abtörnend auf mich. Ein 8-Bett-Zimmer in einem Hostel in der Innenstadt kostet, festhalten, 36-42 Dollar. Das ist mehr als doppelt so viel wie in Cairns! Ich entschied mich dann für ein Hostel in Glebe, das zu Fuß ca. eine Dreiviertelstunde von der Innenstadt entfernt ist. Da kostet das Bett auch noch 32 Dollar die Nacht, aber es immerhin ein 4-Bett-Zimmer. Als wir in Sydney einfuhren, kamen wir auch dankbarerweise an der Glebe Point Road vorbei, sodass ich schon mal wusste, wo diese liegt. Noch besser wäre es gewesen, wenn ich dort hätte aussteigen können, aber der Bus hielt nur am Bahnhof. Eigentlich hätten wir erst am Flughafen stoppen sollen, doch aufgrund des stockenden Verkehrs änderte der Fahrer die Route. Er fuhr von Glebe aus auch nicht den direkten Weg zum Bahnhof, sondern Nebenstraßen, in die der Bus teilweise nur so gerade reinpasste, was mir dann nicht zur Orientierung nützte.

Da wir schon zu spät dran waren, musste am Bahnhof alles zacki-zacki gehen mit dem Gepäck ausräumen, und so stand ich kurz nach dem Aussteigen mit meinen Sachen etwas verloren in der Fünf-Millionen-Stadt. Eigentlich war es nicht schwer, zum Hostel zu kommen, ich musste nur den Broadway entlang und dann auf die Glebe Point Road abbiegen. Nur, dass ich nicht wusste, in welcher Richtung der Broadway lag. Ich fragte mehrere Leute, die aber alle keine Ahnung hatten, da sie vermutlich selber Touristen waren. Das war schon erstaunlich, denn der Broadway ist wie der Name suggeriert eine der Hauptstraßen Sydneys. Irgendwann traf ich auf eine Frau, die mir immerhin die grobe Richtung sagen konnte. Nach einem kleinen Umweg fand ich ihn dann auch.

Der Weg nach Glebe war anstrengend. Es war heiß, ich stank nach Bus und Schweiß und mein Gepäck war schwer. Ich wunderte mich über die alte, baufällige, verlassene Fabrik die am Straßenrand stand. Wenn man bedenkt, dass das Zentrumsnähe ist, fragt man sich schon, warum die da noch rumsteht und nicht längst abgerissen wurde. So wirkte sie wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Glebe ist dafür ziemlich hübsch: Es besteht überwiegend aus kleinen, bunten Häusern, ein bisschen wie in Fitzroy, aber nicht ganz so alternativ. So richtig konnte ich das aber noch nicht genießen, da ich die Point Road noch ein ganzes Stück entlanggehen musste (bergauf!) bis ich am Hostel ankam.

Ich habe erstmal mein Gepäck abgeladen und mich frisch gemacht, notdürftig, da meine Zimmergenossin schlief und ich sie nicht wecken wollte. Außerdem hatte ich nichts mehr zu trinken und musste erstmal einkaufen. Wie sich herausstellte, befand sich der Coles am Anfang der Glebe Point Road, sodass ich noch mal bis zum Broadway und zurück musste. Uff. Dafür ist der Coles in einem Shopping Centre, in dem es schön kühl war. Da es anschließend schon Zeit fürs Abendessen war, sah ich mir an dem Abend nichts mehr von Sydney an. Ich wurde auch ziemlich von meiner Bettnachbarin in Anspruch genommen, Rosi aus Hameln, ein Rentnerin, die drei Monate durch Oz und NZ reiste. Sie war sehr nett, aber sie konnte reden... unglaublich. Was jedoch noch schlimmer war, war, dass sie wenn sie auf dem Rücken lag furchtbar laut geschnarcht hat, zum Leidwesen aller anderen. Sie hat das allerdings nicht gekratzt, sie meinte nur, wenn man beim Schnarchen nicht schlafen kann, dann hat man in einem Hostel nichts verloren. Tolle Einstellung.

Am nächsten Tag habe ich mich dann aber Sydney zugewandt. Wie der Zufall es so wollte, war es Australia Day, der wichtigste Nationalfeiertag. Das war unglaublich passend, denn am Australia Day wird an die Landung der ersten Flotte in Sydney Cove im Jahr 1788 erinnert. Für Aborigines ist der Tag übrigens ein Tag der Trauer, so wie der Columbus Day für die Native Americans, da dies der Beginn ihres unsäglichen Leids war. In Launceston habe ich ein Graffito gesehen, das besagte: `Australia Day - let`s celebrate rape, theft, murder` (lasst uns Vergewaltigung, Diebstahl und Mord feiern).

Zunächst bin ich zum Darling Harbour gegangen, der zweitgrößte Hafen Sydneys, der auf meinem Weg in die Innenstadt lag. Für mich hatte er auch eine persönliche Bedeutung, denn dort hatte Lucinda aus Peter Careys Buch ihre Glasfabrik. Heute ist es sehr schwer, sich vorzustellen, dass Darling Harbour früher ein düsteres Industriegebiet war. Der Hafen wurde von Grund auf saniert und ist heute eine Flaniermeile mit Geschäften, Cafés und einem großen Kino. Es gibt dort eine Touristeninfo, wo ich mich erstmal mit Stadtplänen eindeckte. Am Hafen selbst wimmelte es vor Familien und monströsen Gestalten auf Stelzen. Über der Brückenmitte liegt übrigens die Fahrbahn der Metro Monorail, einer Einschienenbahn. Das Gerüst mit der Schiene wirft einen dünnen Schatten auf die Brücke, sodass alle in diesem Schatten laufen, alle hintereinander in einer Schlange wie eine Entenfamilie, das sieht immer ganz witzig aus.

Man kommt direkt am Queen Victoria Building aus, einem protzigen, viktorianischen Riesenbau mit einer Statue der Königin davor. Heute ist es ein Luxus Shopping Centre, ähnlich wie Harrods. Danach bin ich die George Street entlanggegangen, einer der Hauptstraßen, die direkt zum Opernhaus und der Harbour Bridge führt, die viel weiter von der Innenstadt entfernt liegen als ich gedacht habe, ganz am nördlichen Zipfel. Der Nachteil am Australia Day war, dass die Stadt wirklich brechend voll war. Außerdem war ich fast die einzige, die keine Australienflagge bei sich trug, oder sie ins Gesicht gemalt hatte. Ich wollte unbedingt die Harbour Bridge sehen, also bin ich einfach der Masse hinterher gelaufen. Das Viertel, in dem Brücke und Opernhaus liegen heißt den The Rocks, vor 150 Jahren noch ein übler Slum, jetzt wie Darling Harbour saniert und hübsch gemacht. Nur ein Wandbild erinnert daran, wie es früher ausgesehen hat.

Man musste einige Treppen steigen, bis man zu einem Aussichtspunkt kam. Von dort aus konnte ich zum ersten Mal das berühmteste Opernhaus der Welt sehen. Das war schon irgendwie surreal, denn natürlich kenne ich es von einer Million Fotos, aber es in echt zusehen, das ist schon was Besonderes. Genau so wie die Harbour Bridge, deren Anfang ein paar Stufen weiter oben auf mich wartete. Diesen gigantischen Stahlkoloss vor meiner Nase zu haben erfüllte mich mit Ehrfurcht. Dazu kommen noch die fast ebenso beeindruckenden Betonmasten am Beginn des Bogens. Ich bewundere ja immer die Leute, die solch riesige Brücken bauen, ich hätte da viel zu viel Angst. Am 19. März vor 80 Jahren ist sie übrigens eröffnet worden.

Ich bin also die gut einen Kilometer lange Brücke entlanggegangen (wie hunderte andere) und habe die Aussicht auf den Hafen, der offiziell Port Jackson heißt, genossen, auch wenn Wolken aufzogen und den Blick etwas trübten. Dennoch hatte man eine wunderbare Sicht auf das Opernhaus. Ich war auch überrascht, wie viel auf dem Wasser los war: Reichlich Fähren und andere Boote fuhren umher. Da ich nicht nach North Sydney wollte, bin ich am Ende einfach umgedreht und den gleichen Weg zurückgegangen (es gibt nur auf der östlichen Seite einen Fußgängerweg).

Ich ging zum Circular Quay, der Anlegestelle zwischen Brücke und Opera House, sodass ich die Harbour Bridge nun von unten sehen konnte, was ebenso imposant war. So konnte ich auch verstehen, warum die Einheimischen sie den `Kleiderbügel` nennen. Am Quay war natürlich ebenfalls die Hölle los und überall wehten Fahnen. Das Opernhaus aus der Nähe zu sehen war ebenfalls ein besonderes Erlebnis. Es ist gar nicht weiß, wie ich immer dachte, sondern hat einen leichten Orange-Ton. Ein faszinierendes Gebäude. Zufälligerweise kam gerade in diesem Moment eine Regatta vorbei, die eine ganze Reihe verschiedener Schiffe beinhaltete, unter anderem Segelschiffe, die ähnlich aussahen wie die First Fleet.

...