Für meinen letzten Tag in Canberra hatte ich mir das Australian War Memorial ausgesucht, dass sich mit sämtlichen Kriegen befasst, an denen Australier teilgenommen haben. Ich hatte ja schon oft erwähnt, dass Australier ihren Kriegstoten sehr auffällig gedenken, aber das War Memorial sprengt wirklich alle Dimensionen, sogar den Shrine of Remembrance in Melbourne. Auf der Achse liegt eine mehrere hundert Meter lange, rote Straße, die Anzac Parade, an deren beiden Seiten eine ganze Reihe Denkmäler stehen, die an diverse Kriege erinnern, aber dazu später. Am Ende der Straße, direkt vor dem Mount Ainslie, steht das gigantische War Memorial, das wie ein antiker Tempel aussieht. Eröffnet wurde es 1941, also als der Zweite Weltkrieg noch voll im Gange war.
Im Inneren des Memorial ist es umfangreiches Museum, das genauer auf jeden Krieg eingeht. Los ging es mit dem Ersten Weltkrieg, genauer gesagt mir Gallipoli. Ich will jetzt nicht genauer darauf eingehen, das wäre zu umfangreich, aber das ANZAC (Australian and New Zealand Army Corps) landete am 25. April 1915 auf der türkischen Halbinsel, allerdings einen Kilometer nördlicher als geplant war. Sehr steile Berge lagen vor ihnen, die sie unter Feindbeschuss erklimmen mussten. Acht Monate lang wurde gekämpft, mir hohen Verlustzahlen auf beiden Seiten, bis die Truppen des Commonwealth sich schließlich zurückgezogen haben. Auch wenn die Operation nicht erfolgreich war, ist Gallipoli für die Australier immens wichtig. Für sie ist es der `claim to nationhood`. Auch wenn Australien quasi 1901 geboren wurde, fühlten sich die Australier erst seit Gallipoli wirklich unabhängig vom UK. Auch heute noch wird am 25. April der Anzac Day gefeiert.
Im Museum selbst waren diverse Modelle von verschiedenen Schlachten aufgebaut. Die australischen Soldaten waren zum Training nach Ägypten geschickt worden. Sie kämpften auch in Frankreich, etwa an der Somme, und in Palästina. 60.000 von ihnen sind gefallen. Der jüngste Soldat war übrigens gerade 14 Jahre alt. Er hatte sich als 18-Jähriger ausgegeben, um dienen zu können. Er ist an Typhus gestorben.
Weiter ging es mit dem Zweiten Weltkrieg, dem Oz nach der englischen Kriegerklärung beitrat. Der damalige Ministerpräsident Robert Menzies formulierte es so: `Fellow Australians, it is my melancholy duty to inform you officially that in consequence of a persistence by Germany in her invasion of Poland, Great Britain has declared war upon her and that, as a result, Australia is also at war.` Es ging in erster Linie um den Pazifikkrieg, über den in Deutschland ja relativ wenig bekannt ist. In der Schule haben wir zumindest ausführlich über den Krieg in Europa gesprochen, aber nie über den Krieg am anderen Ende der Welt. Ich selbst weiß nur das darüber, was ich in Ken Burns' großartiger Dokumentation `The War` gesehen habe, die sich allerdings auf den amerikanischen Blickwinkel beschränkt.
In Oz hatte man große Angst vor einer japanischen Invasion, insbesondere nach der Bombardierung Darwins. Die Kriegsgefangenen mussten die Hölle auf Erden durchleben. Sie mussten schwer arbeiten und bekamen dafür nur eine Schüssel Reis am Tag. Viele von ihnen sind gestorben, auch bei Todesmärschen. Sie hatten dort eine kleine Bambushütte aufgebaut, in der die Gefangenen geschlafen haben. Die Kriegsgefangenen in Deutschland hatten es auch nicht leicht, wurden aber insgesamt besser behandelt. Wie es typisch ist, haben sie den deutschen Begriff abgekürzt und sich selbst `Kriegies` genannt. Nach dem Krieg hat man den Soldaten übrigens geraten, nicht über ihre Erlebnisse zu sprechen und den Familien gesagt, sie sollten den Krieg nicht erwähnen. Das war natürlich genau die falsche Strategie für viele. Sie hatten dort übrigens auch eine deutsche Bombe, die folgende Inschrift trug: `Zu verbrauchen bis März 1942`. Was soll man dazu noch sagen?
Es gab eine Ausstellung, die Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg zeigte, sowie eine kleinere, in der die wichtigsten militärischen Abzeichen wie das Victoria und das George Cross zu sehen waren, bevor des mit den Konflikten nach 1945 weiter ging. Auch in Korea kämpften australische Soldaten drei Jahre lang, länger als erwartet (dauert nicht eigentlich jeder Krieg länger als man zunächst erwartet hat?), was aber in den Medien kaum Beachtung fand, da man vom WWII wahrscheinlich immer noch genug hatte. Korea wird daher auch `der vergessene Krieg` genannt. Noch länger waren Soldaten in Malaysia stationiert, von 1948-60, wo die Truppen des Commonwealth einen Guerillakrieg gegen die Malayan National Liberation Army führte.
Auch in Vietnam waren Australier vertreten. Jeder Mann über 20 konnte für zwei Jahre eingezogen werden. Von den 60000, die dort kämpften, fielen `nur` 500, was natürlich immer noch 500 zu viel sind, aber relativ wenige im Vergleich zu den USA. Diese schickten 3,5 Millionen Soldaten, von denen knapp 60000 starben. In OZ hat man den Krieg zunächst unterstützt, doch dann wurde er wie auch in anderen Ländern zusehends unpopulärer. Ein australischer Mythos ist die Schlacht von Long Tan, in der ein paar hundert australische Soldaten ohne ihr Wissen gegen 2500 Mitglieder des Vietcong kämpften und nur 20 Mann verloren.
Wahrscheinlich ist es euch auch aufgefallen, dass jüngere Operationen nicht mehr Krieg, sondern `Peacekeeping`, Friedenssicherung, genannt werden, was ich schon sehr beschönigend finde. Australier waren in Timor Leste, nachdem das indonesische Militär dort einmarschiert war, weil die Bewohner für ihre Unabhängigkeit gestimmt haben. Weitere `Friedensmissionen` waren/sind Somalia, der erste Golfkrieg, Irak und Afghanistan. Zum ersten Golfkrieg lag dort übrigens ein ganz lustiges T-Shirt, das Saddam Hussein zeigt, wie der mit Säbel losrennt und ruft `Holy War!` (Heiliger Krieg). Kurz darauf rennt er jedoch in die entgegen gesetzte Richtung einer Ladung Kugeln davon und ruft `Holy Shit!` (Heilige Scheiße).
Im Untergeschoss ging es dann zurück in die Vergangenheit zu den kolonialen Konflikten, wie dem Anglo-Maori-Krieg (1850er) und der Boxer Rebellion. Der Fokus lag aber auf dem Südafrikakrieg. Das war von allen Konflikten wohl der, mit dem ich mich am besten auskannte, weil ich das in der Uni mal als Prüfungsthema hatte. Manchmal wünschte ich mir, der Krieg wäre präsenter im öffentlichen Gedächtnis, weil dort schon viele Fehler gemacht wurden, die im Laufe des Jahrhunderts immer wieder passierten. Der Krieg sollte wie so viele andere ja auch `bis Weihnachten` vorbei sein, aber statt zweieinhalb Monaten kämpfte man zweieinhalb Jahre. Der Südafrikakrieg war nämlich einer der ersten (soweit ich weiß) Guerillakriege. Obwohl die Briten zehnmal so viele Soldaten hatten wie die Buren, taten sie sich extrem schwer, da sie größtenteils aus Übersee kamen, während die Afrikaners das Land wie ihre Westentasche kannten und sehr gute Schützen und Reiter waren. Die Truppen des Commonwealth waren dagegen größtenteils unberitten. Ein großer Teil starb übrigens nicht auf dem Schlachtfeld, sondern an Krankheiten wie Dysenterie und Typhus, was natürlich nicht für eine Heldengeschichte taugt. Der Krieg hätte unter Umständen noch wesentlich länger gedauert, hätten die Briten nicht Frauen und Kinder der Buren in Konzentrationslager gesperrt und die Gegenseite so langsam zermürbt. Nicht die einzige unrühmliche Aktion: So erschossen zwei australische Soldaten Kriegsgefangene. Der Krieg führte am Ende zur Föderation Südafrikas 1910, mit dramatischen Konsequenzen für die schwarze Bevölkerung. So weit die Kurzfassung.
Am anderen Ende des Memorials gibt es noch die sogenannte `Memorial Hall`. Ein Freiwilliger erklärte mir das Innere, das vor so Symbolik nur so überquillt. In der Mitte liegt das Grab eines unbekannten australischen Soldaten, das mit Rosenblättern bedeckt ist. In den Glasfenstern sind Soldaten abgebildet, von denen jeder für eine Eigenschaft steht, über die ein Soldat verfügen sollte, wie Kameradschaft, Mut, Hoffnung, Disziplin usw. Außerdem befand sich dort eine Krankenschwester, die für Hingabe stand. In einem Mosaik war je ein Soldat von Marine, Infanterie und Luftwaffe abgebildet. Das Prunkstück ist jedoch die 26 Meter hohe Kuppel. Zwischen den beiden Gebäudeteilen befindet sich die `Roll of Honour`, auf der die gefallen Soldaten verewigt sind.
Nach der Besichtigung fühlte ich mich total erschlagen. Auch wenn das ganze für meinen Geschmack zu bombastisch war, war es doch ein unglaublich interessantes Museum. Ich wünschte mir nur, ich hätte mir was zu schreiben mitgenommen, da man so mit Informationen überschwemmt wird, dass man alles gar nicht aufnehmen und behalten kann. Eigentlich müsste man sich eine ganze Woche für das Museum Zeit nehmen.
Kommen wir nun noch kurz zur Anzac Parade und ihren Denkmälern. Am besten könnt ihr euch vielleicht die Fotos dazu ansehen, aber schon einmal zur Erklärung:
Auf der linken Seite befindet sich das New Zealand Memorial, das auf der rechten Seite vom Australian Memorial ergänzt wird. Beide stellen den Griff eines Korbes dar, um die Zusammenarbeit des ANZAC zu symbolisieren. Das Desert Mounted Corps Memorial war das erste Denkmal; es wurde 1968 enthüllt. Es erinnert an die Soldaten, die im Ersten Weltkrieg in Ägypten, Palästina und Syrien gekämpft haben. Ein Denkmal für den Burenkrieg ist in Planung; danach kommt die Denkmäler für Vietnam und Korea. Ein Denkmal ist für eine Einheit namens `Diggers` und eins für die ANZAC-Truppen, die im WWI in Griechenland gekämpft haben.
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