Es hat etwas gedauert, aber hier kommt Teil 2 des Coastal Trails:
Ironischer Weise war auch die nächste Flussüberquerung ein großes Hindernis für uns und außerdem eine Änderung in unseren Plänen. Mir kommt es vor, als würde ich in der letzten Zeit nur noch von Flussüberquerungen berichten..
Wir hatten eine Nacht in einem Motel geschlafen in einem kleinen verschlafenen Kaff namens Orick, in dem es nichts außer einem kleinen Supermarkt, einem Restaurant, einer Tankstelle und ein paar Motels gab, neben ungefähr 5 Souvenir-Läden der gleichen Art, die alle Schnitzereien aus Redwood Holz verkauften, sehr sinnig in einem Dorf dieser Größe.
Auf jeden Fall hatten wir uns eine Nacht ein vernünftiges Bett gegönnt und unsere Sachen gewaschen, um am nächsten Tag nach einem amerikanischen Frühstück, das sich eigentlich nicht von dem kanadischen unterscheidet, wieder frischen Mutes wandern zu gehen. Leider war es nach dem Frühstück nichts mit dem frischen Mut, denn wir aßen zu viel, als dass man sich als fit und vital hätte bezeichnen können, auch ein Fakt, der sowohl auf amerikanisches als auch auf kanadisches Frühstück oder Essen im Allgemeinen zurückgeführt werden kann.
Mit schweren Beinen machten wir uns also auf den Weg und latschten gefühlte Stunden ein und denselben Feldweg entlang, der uns an Farmen und Kühen vorbeiführte und eigentlich nur aus Orck hinaus lief, aber trotzdem ziemlich lang war, was wahrscheinlich an den vielen Windungen und vor allem an unserem Tempo lag..
Nach circa 45 Minuten gelangten wir ans Meer und durften feststellen, dass wir höchstwahrscheinlich den Weg auf der falschen Seite des Flusses/Bachs gewählt hatten, dem er gefolgt war, denn zwischen dem Informationscenter und uns türmten sich nun die Wassermassen. Isabel, die eigentlich hinter mir gegangen war, zog plötzlich an und meinte, dass wir uns doch beeilen sollten, bevor die Flut hinein geströmt kam. Bevor ich irgendetwas erwidern konnte, zog sie sich schon bis auf die Unterhose auf, hängte Hose und Schuhe an ihren Rucksack und versank bis zur Brust in einem Gemisch aus Meer und Fluss, wobei die Strömung sie jeden Moment umzureißen drohte. Ich weiß bis heute nicht, wie sie es ans andere Ende geschafft hat, aber letztlich winkte sie mir von der anderen Seite zu und ich durfte feststellen, dass der Wasserspiegel bereits weiter gestiegen war und das Wasser ziemlich mitreißend aussah. Ich lief ungefähr 5 Minuten hin und her und überlegte, wo ich denn nun am besten diesen blöden Fluss überquere und in mir stieg schon die verzweifelte Ahnung auf, dass ich es nicht schaffen würde, dass ich den ganzen blöden Feldweg würde zurückgehen müssen, doch dem war nicht so, denn hinter mir kam plötzlich ein Jeep angefahren, warum auch immer ein Jeep am Strand entlangfährt. Und der Fahrer bot mir kurzerhand an mich auf die andere Seite zu bringen. Und so trafen wir Bob.
Bob ist um die 60 Jahre alt und am besten kann man ihn eigentlich als Harvey Fahrer aus dem Bilderbuch beschreiben. Dicker Bauch, weiße, längere Strubbelhaare und ein Schnauzer. Eigentlich war der Plan mich auf die andere Seite zu geleiten, aber wir quatschten und verstanden uns gut und so erzählte er mir, dass er gerade am Campen war und der Campingplatz an einer Lagune lag, die auch auf Isabel und meinem Weg lag. Er fackelte nicht lang und lud uns ein mit ihm dort zu wohnen, denn er hätte einen großem Platz gemietet und außerdem Fisch fürs Abendessen gefangen und wir seien herzlich Willkommen. Nach kurzer Beratung mit Isabel und unserer nichtvorhandenen Wanderlust saßen wir also in Bobs Truck und fuhren in Richtung Campingplatz.
Mit dieser Entscheidung brach ein neues Kapitel unserer Reise an, denn nach diesem Tag waren wir nicht mehr wandern.
Wir verbrachten zwei Tage bei Bob und seinem Hund, den ich komischer Weise lieb gewonnen habe, obwohl ich ja wirklich überhaupt kein Hundefan bin. Wir fuhren Quad am Strand und brieten Fisch und Hot Dogs über dem Lagerfeuer. Wir tranken Bier und unterhielten uns bis tief in die Nacht hinein und es war wirklich eine schöne Zeit. Aber nach zwei Tagen wollten wir dennoch weiterziehen und daher fuhr uns Bob nach Arcata, dem nächsten Schritt unserer kleinen Reise..
Ich muss zugeben, dass wir bevor wir Bob trafen eine Woche gewandert waren und dabei auch nette Menschen kennenlernten und viele schöne Wandertage verbrachten, aber auch wenn ich von jedem einzelnen mit Sicherheit lebhaft berichten könnte und eventuell auch Begeisterung in euch erwecken könnte, bleibt unterm Strich nichts über sie zu sagen, als dass ich sie bis ins letzte in mich aufgesogen habe, diese Tage. Ich habe die Ruhe in mir gespeichert, habe die Sonnenuntergänge in meinem Herzen gefangen und den Duft von Marshmallows im Lagerfeuer in meinen Sinnen verankert. Ich habe Tommy nicht vergessen, den Amerikaner, der uns von der Straße auflas und ins Bed and Breakfast seiner Eltern brachte, wo er uns ein Lunch zubereitete, weil er dort als Koch arbeitete, bevor er uns den ganzen Weg zu unserem Campground fuhr. Oder das Pärchen, das uns Bier schenkte, weil es glaubte unseren Zeltplatz geklaut zu haben und es auch nicht zurück wollte, als wir das Missverständnis auf dem Weg geräumt hatten. Oder der Hippie, der zu bekifft war, um auch nur einen klaren Satz zu formulieren oder einen sinnvollen Gedanken zu fassen.
Was ich eigentlich ausdrücken möchte, ist, dass wir eine ganze Menge toller Leute getroffen haben und dass ich immer nur wieder wiederholen kann, dass man viele Menschen findet, die einem helfen, die einem die Reise versüßen und die durch Kleinigkeiten deinen Moment ganz riesig werden lassen. Danke. An alle Menschen, die kleine gute Taten verbringen und damit zu anonymen Helden des Alltags werden. Danke!