Die Tour mit Isabel ist in keinster Weise mit den Touren zu vergleichen, die ich mit Felix hinter mir habe.
Felix und ich waren ja bekanntlicher Weise immer am unteren Limit mit unseren Essensvorräten, mit Isabel hatte ich zum ersten Mal mehr als genug, für mich war es regelrechtes Luxuscamping. Jeden Morgen hatten wir Kaffee und Haferflocken mit Zimt, Zucker und Rosinen so viel wir wollten. Anstatt einer einzigen Grünteesorte hatten wir Grüntee und Früchtetee in jeder Variation. Außerdem trug ich einen Vorrat von einem Kilo Studentenfutter mit mir herum und Isabel hatte noch ein halbes Kilo in ihrem Rucksack. Ja, uns ging es wirklich gut und ich lag nicht eine einzige Nacht mit Hunger im Bett, eher im Gegenteil ;)
Unsere Wanderung führte uns an der Küste entlang, der erste Teil verlief jedoch im Redwood Wald. Es war ein schöner Weg, er schlängelte sich durch die riesigen Bäume und ich hatte das Gefühl in meinem Leben noch nie zuvor ein schöneres Grün gesehen zu haben. Es kann sehr gut sein, dass diese Wahrnehmung auch dadurch beeinflusst wurde, dass ich in den vorangegangenen Monaten fast gar kein Grün zu Gesicht bekommen hatte, auf jeden Fall machte diese Farbenfreudigkeit mich unglaublich glücklich und zum ersten Mal durchflutete mich das tiefe Frühlingsgefühl, obwohl ich geneigt war es sogar Sommergefühl zu nennen, so warm kam es mir vor. Ich lief überwiegend in Shorts und Top und genoss die Sonnenstrahlen auf meiner Haut, nach diesem langen Winter kommt mir der Sommer viel schöner vor als je zuvor, ich nehme ihn viel intensiver wahr.
In den Redwoods gibt es natürlich auch Bären und Berglöwen und so versuchten Isabel und ich jede Nacht unser Essen so gut es geht in den Bäumen zu verstecken, auch wenn uns natürlich bewusst ist, dass Schwarzbären klettern können. Es ging vielmehr darum, die Rucksäcke nicht zu nahe am Zelt zu lagern, denn wir wollten den Bären nun nicht unbedingt über unsere Zeltschnüre stolpern sehen ;) Wir blieben jedoch von einem Bärenbesuch verschont, ich schätze, unser Essen war zu geruchsfrei und langweilig, worüber ich sehr dankbar bin.
Nachdem wir also die ersten 1,5 Tage durch den Wald gewandert waren, konnten wir es kaum erwarten wieder an die Küste zu gelangen. Wir wollten den Sand unter unseren Füßen spüren und eventuell sogar im Pazifik baden, Hauptsache nicht mehr im Schatten der Bäume laufen und die Sonne verpassen. Als der Weg dann endlich aus dem Wald herausführte, mündete er in giftgrüne Wiesen, die von Blumen jeder Art und Farbe bestückt waren. Es war eine herrliche Idylle, vor allem, weil man in der Ferne durch die Büsche hindurch das tiefe Blau des Meeres erspähen konnte. Das Meer also bereits vor Augen, beschleunigten wir unser Tempo und liefen raschen Schrittes weiter südlich. Vielleicht erinnert ihr euch noch an die Panne, die Felix und ich beim Überqueren eines Flusses auf Neufundland hatten, ich bin nicht sicher, ob ich davon berichtet habe. Am Ende des zweiten Tages auf jeden Fall kam uns wieder ein Fluss in den Weg. Es war eigentlich eher ein kleiner Bach, der zu unserer Rechten keine 50 Meter weiter ins Meer mündete. Er war ziemlich flach, aber nicht flach genug, um mit den Schuhen hindurch zu laufen, also zögerten wir nicht lange und zogen unsere Schuhe aus. Was wir beide nicht bedacht hatten, war der steinige Untergrund, der in unsere Fußsohlen bohrte. Ich wartete nicht lange und begab mich ins Wasser und es fehlte wirklich nicht viel und ich hätte ein unfreiwilliges Bad genommen: Die Steine waren rutschig und meine Füße fanden keinen Halt, auf meinem Rücken befand sich der 25 Kilo schwere Rucksack und ich konnte kein Gleichgewicht finden. Um die Balance zu halten, musste ich mit den Armen rudern und verlor dabei meine Schuhe, die ich in der Hand gehalten hatte, die sich direkt auf den Weg den Fluss hinunter ins Meer begaben. Gott sei Dank war Isabel geistesgegenwärtig und stieg ohne Rucksack sofort in den Bach, um sie aufzuhalten, während ich noch immer mit dem Gleichgewicht kämpfte.
Nachdem wir circa eine Stunde lang versucht hatten einen Übergang zu finden, gingen wir doch außen herum über den Highway.
Es ist witzig, wie manchmal so kleine Bäche so große Schwierigkeiten bereiten, sie sehen total harmlos aus, lachen einen an und laden einen ein mit nackten Füßen durch sie hindurch zu waten, aber wenn man sich dann auf den Weg begibt, dann entpuppen sie sich als hinterhältige Schlangen, die einem das Treten auf dem Untergrund unmöglich machen und einen samt Rucksack ins Wasser befördern wollen. Ich glaube, wenn es in Zukunft um die Überquerung von Flüssen geht, werde ich immer einen Weg außen herum suchen, oder auf sicheren Wegen über trockene Steine, die aus dem Wasser herausragen, laufen.
Unsere Strapazen wurden am Ende aber doch noch belohnt, denn wir fanden einen wunderschönen Fleck, auf dem wir unser Zelt aufstellten und von einer Anhöhe aus den Sonnenuntergang beobachteten. 15 Minuten lang sahen wir zu, wie der feuerrote Ball langsam und doch ziemlich schnell am Horizont verschwand und nur einen pink und orange gefärbten Himmel zurückließ.
Ja, ich glaube, in dem Moment habe ich mich in Kalifornien verliebt!