Zivilisation

01.August 2011 - Vancouver


Zwei Wochen bin ich nun schon wieder aus Blachford verschwunden, zwei Wochen, die vorbeigegangen sind, ohne dass ich davon Notiz genommen habe, 14 Tage, die irgendwo zwischen den Welten zerronnen sind, ohne dass ich genau sagen könnte, wohin eigentlich.

Ich hatte bereits erwähnt, dass mein Abschied schwer fiel und noch schwerer fiel es mir mich wieder einzugliedern. Am allerersten Abend zurück in der Zivilisation lief ich großäugig durch die Straßen und war unfähig mir vernünftig einen Kaffee zu bestellen. Die vielen Menschen ängstigten mich, ich lief unsicher auf den gepflasterten Wegen, konnte kein Gleichgewicht finden und wünschte mir sehnlichst den harten, unebenen, felsigen Untergrund in Blachford zurück. Barfuß über Felsen ist anders als mit Turnschuhen über Asphalt, das kann ich euch sagen.
Ich konnte nicht schlafen, musste mich jedes Mal daran erinnern die Toilettenspülung zu betätigen und lauschte verzweifelt auf den Gesang oder das Geschrei der Vögel, stattdessen rauschten Autolärm und abhebende Flugzeuge durch meine Ohren.
Ich bin mir sicher, dass es für euch schwer vorstellbar ist und sogar für mich ist es jetzt nach zwei Wochen schon wieder schwer vorstellbar, aber ich musste mich wieder gewöhnen an alles, was man nicht hört, wenn man in der Zivilisation lebt. Und an alles, was man nicht sieht. Es ist kein Scherz, wenn ich euch erzähle, dass ich mehrmals von Menschen auf der Straße angesprochen wurde, ob es mir gut geht oder sie mir helfen können, weil ich hilflos und verloren aussah. Verloren in einer Stadt, die nicht viel größer ist als Schenefeld.. Sachen gibt?s, die gibt?s gar nicht.
Um mich von meinem Trennungsschmerz abzulenken, besuchte ich am Samstag und Sonntag, den einzigen Tagen, die mir noch im Norden vor meinem Abflug verblieben, das Folk on the Rocks Musik Festival und auch wenn die Masse an Besuchern mich zunächst umgehauen hat, hatte ich dennoch sehr viel Spaß. Ich habe mich in die Musik hinein gewogen und nach innerer Ruhe gesucht. Außerdem traf ich viele Leute, die ich in Blachford während des Dechinta Programms kennengelernt hatte und fühlte mich daher nicht so allein. Auch Penny und Frankie, Wwoofer und Köchin, leisteten mir Gesellschaft und so genoss ich das Wochenende, auch wenn Blachford stetig durch meinen Kopf schwebte.

Die Ankunft in Vancouver war fürchterlich. Yellowknife mag eine Kleinstadt sein, ich mag es als Zivilisation bezeichnet haben, aber was bitte ist eine Großstadt wie Vancouver? Millionen von Menschen, Autos, Bahnen, Bussen, Häusern. Lärm. Dichte Massen auf den Straßen. Ampeln.
Zu allem Unglück konnte ich Andy nicht erreichen und so war ich gezwungen die erste Nacht in einem Hostel zu verbringen. Es war so ziemlich das letzte wonach mir zumute war, aber auch die einzige Lösung, die ich am späten Abend nach meiner langen Reise hatte. Ich verging fast vor Heimweh nach Blachford, der stickige Raum ließ mich nicht schlafen und der Lärm raubte mir jeden Nerv.
Ich war nicht gewillt auch nur einen Tag mehr als nötig in dieser viel zu großen Stadt zu verbringen und rief daher gleich am nächsten Tag bei allen Nummern vom Wilderness Committee an, die ich mir aufgeschrieben hatte. Auch Andy war endlich erreichbar und so zog ich postwendend aus dem Hostel zu ihm. Eine weitere Nacht musste ich aushalten und dann fuhr ich zusammen mit ihm hinaus nach Seton Portage, entlang an BC's Westküste durch wundervolle Berge, das Meer stetig zu meiner Rechten.