Unfallbericht

21.September 2011 - Vietnam


Es ist der 16.02.11 ich wache um 8.15Uhr auf. Ich bin jetzt genau 5 Monate unterwegs. Da Winter in Vietnam ist hatte es etwa 14 Grad. Ich war unter anderem in Australien, Indonesien, Malaysia, Thailand, Kambodscha und Vietnam. Zum ersten mal auf meiner Reise hatte ich verschlafen, denn um 8:20 Uhr sollte der Ausflug von Hanoi zur Halong Bucht starten. Ohne Frühstück, Dusche, Zähneputzen und mit all meinen Sachen rannte ich auf den Tour-Bus vor meinem Hotel. Nach einer etwa dreistündigen Fahrt kamen wir im Hafen des ?Unesco Weltkulturerbe Halong Bay an. Gegen 13 Uhr konnten wir auf unserem Schiff einchecken. Ein etwa 20m langes Boot mit 2 Etagen und etwa 12 Schlafkabinen für Passagiere und Crew. Gegen 13.30 Uhr musste jeder seinen Passport dem Tour-Guide abgeben und es begann das Mittagessen während wir in Richtung Great Cave, die größte Höhle in Halong Bay, fuhren.
Während dem Mittagessen machte ich Bekanntschaft mit einem sehr netten Schweizerdeutschen couple. Die zwei waren sehr erfreut darüber das ich ihren Schweizer-deutschen Dialekt verstehe, da ich vom Bodensee an der Schweizer Grenze komme. Die Halong Inseln waren ein Paradies. Diese wunderschönen Steinberge erinnerten an eine Märchenwelt. Die Passagiere versammelten sich an Deck und wir schossen unzählige Fotos. Der Tag war Perfekt. Wir besuchten diese riesige Grotte und fuhren am Nachmittag Kajak. Ich und ein Schotte paddelten um diese kleinen Inseln herum und hatten die größte Freude an dieser unbeschreiblichen Natur. Da ich einer der wenigen war die eine Kamera mit im Kajak dabei hatte, schoss ich von allen Passagieren Fotos. Ich machte Fotos von zwei Schwedinnen, beide waren so genau so alt wie ich sie hatten ihre Schule beendet und wollten einige Monate herumreisen. Genau wie ich, hatten sie noch nicht gewusst was sie später einmal studieren wollen.
Es war definitiv die beste Tour die ich auf meiner Reise bis zu diesem Zeitpunkt gemacht hatte. Gegen 18 Uhr gab es Abendessen. Hier bemerkten wir das, dass Schiff eine leichte Schieflage hatte. Wir witzelten darüber, dass es sich so anfühle als währe man leicht betrunken. Keine nahm die kommende Gefahr wahr. Nach dem Abendessen unterhielt man sich und spielte stundenlang Karten. Es wurde kaum Alkohol getrunken. Ich spielte stundenlang mit den zwei Schwedischen Mädchen und den Schweizern Karten. Die Mädchen hatten einige klasse Kartenspiele drauf. Ich war an diesem Abend so gut drauf wie noch nie. Ich machte Witze über die Schwedische Sprache weil sie sich im deutschen so ulkig anhört. Ein Mischmasch aus Deutsch-englischen Wörtern. Wir lachten alle als ich mit schwedischem Accent Sätze bildete. Wir standen alle Mitten im Leben, wir waren Abenteurer die die Welt sehen wollten. Mit unserem Jugendlichen Leichtsinn auf in die Welt. Wer denkt schon über Gefahr nach. Jeder wusste dass man in Vietnam auf den Straßen höllisch aufpassen musste. Mit etwa 12000 Toten pro Jahr ist das die Todesfalle Nr.1. Aber ein Boot? Der Tod war für uns alle in weiter ferne.
Gegen 1 Uhr begab ich mich als einer der letzten in die Kajüte. Die Kajüte hatte eine Tür die man abschließen musste , damit die Tür Nachts nicht offensteht. Den Schlüssel musste man zweimal herumdrehen um zu schließen. Den Schlüssel ließ ich im Schloss von innen stecken. Dies rette mir später das Leben.
Ich ging zu Bett und schlief ein.
Ich lag in der rechten Ecke meiner Kajüte mein Zimmerpartner, ein Franzose, sprang auf und kam hysterisch auf mich zu. Vor Schreck sprang ich auf und wusste nicht was er von mir will. Es Knarrte es Klirrte. Der Franzose rannte aufwärts zur Tür. Das Schiff war sehr schief. Mein Zimmerpartner schaffte es im Dunkeln die Tür mit dem Schlüssel zu öffnen. Im gleichen Augenblick kippte das Boot um. Der Franzose flog von etwa 3 m Höhe auf mich drauf. Wasser drang durch die Fensterseite ein. Innerhalb weniger Sekunden. Ich war für kurze Zeit Unterwasser. Die Tür stand offen aber senkrecht zum Himmel. Wir zogen uns an Türklinke und Rahmen hoch und waren draußen. Das Boot sank unter unseren Füßen weg. Vom Aufwachen bis zum Bootsuntergang vergingen etwa 20 Sekunden. Ich fühlte mich noch nicht gerettet. Aus dem Film Titanic nahm ich fälschlicherweise an das auf das Boot nun ein Sog folgen würde. Ich kraulte daher einige Meter vom Boot weg. Aber da kein Sog kam und ich sah, dass der Mast noch rausschaute hielt ich mich dort fest. Ich überlegte kurz was passiert war. Das Boot musste auf der rechten Seite mit Wasser vollgelaufen sein. Und kippte daher in wenigen Sekunden um. Mein Glück war, dass sich meine Kabinen Tür auf der linken Seite des Boots befand. Die Passagiere auf der anderen Seite konnten nur aus dem Fenster fliehen, was viel Schwieriger war, denn in Panik rennt man automatisch in Richtung Tür. Außerdem hatten alle Passagiere ihre Türen mit Schlüssel abschließen müssen, wenn man diesen dann nicht von innen stecken lassen hat, dann war man hoffnungslos verloren. Viele dieser Passagiere haben es nicht geschafft und sind ertrunken.
Im kalten Wasser, ich schätze mal so etwa 7-10 Grad, habe ich dann realisiert das ich überlebt hatte. Die Kälte des Wassers war nicht zu spüren, da ich voller Adrenalin war. Ich hörte Geschrei, ich selber schrie laut um Hilfe aber die anderen Touristenboote schliefen oder hielten das ganze wohl für einen Scherz. Nach etwa 5min im Wasser kam ein kleines Motorboot das und 9 Überlebenden aufsammelte und auf eine kleine Insel brachte. Dort machten wir ein Feuer aus Pappe und Holz. Wir alle standen in Unterwäsche da ich selber hatte noch eine Boxershort und mein Leben. Andere hatten ihre Freundin oder Freund verloren. Einige Pärchen , Freunde, Mutter und Tochter, Zimmerpartner waren nicht aufgetaucht. Wo war mein Kajakfahrer aus Schottland, wo waren die Schwedinnen, wo war der Schweizer? Es wurde langsam Tag, nach etwa 2 Stunden auf der Insel kam ein anderes Boot das uns nach Halong City brachte. Dort wurden wir in ein Hotel gebracht. Ich und der Franzose wollten wieder zusammen in ein Zimmer. Die Rezeption gab uns Zimmer 104 , die selbe Nummer die wir auf dem Boot hatten, Sofort lehnten wir dankend ab und konnten dann in 502 einchecken. Der Vormittag war mit Interviews und Statements voll.
Gegen etwa 3 Uhr sagte man uns wir sollen alle zur Untersuchung ins Krankenhaus. Man brachte uns aber nicht in das Krankenhaus sondern in eine Leichenhalle. Es lagen 6 Körper da, nach und nach kamen weitere Leichenwägen mit weiteren 6 Körpern in die Halle. Wir identifizierten die Leichen. Unter ihnen meine schwedischen Freundinnen, mein Kajakpartner aus Schottland, und der sympathische Schweizer. Es war nicht real . Sie langen friedlich wie Puppen da. Dabei hatte jeder von ihnen in diesen Scheiß Kabinen um ihr Leben gekämpft. Mir wurde schlecht und mir wurde bewusst das ich auf diesem verdammten Tisch hätte liegen können.

Die Pathologie war das reinste Massenspektakel die Tore standen weit auf zur Straße, überall Gaffer und Journalisten. Ein Pathologe hatte eine Zigarette im Mund während er an den Leichen Fingerabdrücke machte. Zurück im Hotel erwarteten mich Mitarbeiter der Deutschen Botschaft. Auf kosten von Vietnam durfte ich abends noch Kleidung einkaufen gehen. Ich kam bei einer Vietnamesischen Familie unter. Alles zu dank einer Referentin und der Deutschendbotschaft.

Dienstag 22.02.11
Fünf Tage nach dem Unglück hatte man unsere Sachen geborgen. Es gab eine Pressekonferenz. Die lebenden Opfer bekamen ca 350 Euro die Toten das Doppelte. Besser als nichts. Um ca. 10 Uhr hieß es Sachen Identifizieren. Ich und ein Italiener waren die einzigen der Opfer die noch in Hanoi waren. Alle anderen sind schleunigst nach Hause geflogen. Es war ein Bild des Schreckens. Über 25 Rucksäcke und hunderte Kleidungsstücke, Kameras, Laptops, Schuhe lagen verstreut auf einem Parkplatz eines Hotels. Ich konnte viele Sachen finden. Meine Handys, Laptop, Kleidung, Rucksack, Geld, Kreditkarten und meinen durchnässten Passport. Alle Sachen waren nass und kaputt und etwa 80nicht mehr verwendbar. Diese Prozedur dauerte etwa 3 Stunden. Viele Sachen blieben unidentifiziert und wurden weggeschmissen. Zu bemängeln wieder einmal Vietnamesische Polizisten! Keine Organisation und es wurde Geld gestohlenen, das in den Geldbörsen und Rucksäcken war. Psychisch war das wohl die größte Belastung seit dem Unglück. Am Nachmittag musste ich dann zum 3 mal auf die Immigration Office in Vietnam. Ich brauchte ein neues Visa. Diese Korrupten (arschlöcher) wollten dann noch Geld von mir und erst nach dem ein Diplomat der Botschaft kommen musste bekam ich mein Visum. Vietnam ist das korrupteste und unfreundlichste Land indem ich jemals war.

Mittwoch 23.02.11
Ich lebe jetz bei einer Diplomatin im Haus. Sie hat mich ohne zu zögern für ein paar Tage aufgenommen. Ich bin froh das ich nicht alleine bin. Ich fühle mich wohl hier. Wer kommt schon in den Genuss mit Diplomaten Shisha zu rauchen und was trinken zu gehen. Ich genieße mein zweites Leben. Ich bin immer noch erschüttert. Ich stelle mir viele Fragen. Und ich weiß das ich Glück hatte.
Halong Bay
Der Sage nach sind diese Inseln von den Flügelschlägen eines riesigen Drachens entstanden. Dieser Drache soll heute noch dort im Meer leben. Am 16.02.11 um 4.30 Früh haben 9 Touristen diesen Drache gesehen. Ich bin einer von ihnen.