Mit dem Adirondack nach NYC

30.May 2013 - New York


Ein großes und international verständliches FUCK trifft es wohl am besten. Bin ich doch tatsächlich einen Tag vor meiner Abreise nach New York krank geworden und werde in der ohnehin schon nur 4-stündigen Nacht von Fieberträumen geplagt. Aber da hilft ja bekanntlich alles nichts: Rucksack auf, wunderschönen Brief von Leo in die Tasche und ab zur Metro. Auf diesen circa 15 Minuten Weg bin ich mit der Welt schon einmal am Ende, der Schweiß läuft mir unter meinem Oberteil am Bauch herunter und ich habe die Nase im doppelten Sinne voll! Als ich am Gare centrale ankomme (es hält einem hier keiner die Tür auf oder nimmt einem den Koffer ab!), bin ich so nass wie nach dem Platzregen beim Joggen neulich und gleichzeitig mehr als verdutzt: Wo sind denn nur die Gleise? Eine halbnette, halbfette Sicherheitstante erklärt mir dann, ich solle mich zum boarding an Schalter 19 einfinden und tatsächlich, das läuft hier so ab wie am Flughafen! Glücklicherweise kann man aber sein Gepäck auch behalten und so leide ich lieber unter der schweren Last auf dem Rücken, habe dann aber die Aussicht auf mein göttliches Lunchpaket. Pünktlich 9.15 Uhr sitze ich im Adirondack der Betreibergesellschaft Amtrack, habe mich einmal aus- und wieder angezogen, von somit trocken, neben einem netten Kanadier aus Vancouver auch besser bedient als sonst bei meinen Zugfahrten und Flügen und habe angeblich eine der 10 schönsten Zugstrecken der Welt vor mir.
Schon auf den ersten Metern wird deutlich, dass Amtrack auf seiner Webseite damit nicht übertrieben hat. Der Weg raus aus Montreal führt über den riesigen, riesigen St. Lorenz Strom und umso weiter man das Zentrum hinter sich lässt, umso flacher und kleinstädtischer werden Häuser und Vorgärten. Die Straßen jedoch bleiben breit und quadratisch, die Ausmaße eben einfach sehr amerikanisch. Wir schleichen im EB-Tempo über unbeschränkte Bahnübergänge, scheuchen Anwohner und sich nähernde Autos aber mit einer tiefen, fast maritimen Hupe beiseite und würden in unserem Tempo wahrscheinlich auch für einen Marinenkäfer auf den Gleisen anhalten können und passieren weites Land. Hier und da ein Bauernhof, ein paar Wasserkanäle ziehen sich durch die Felder, beinahe holländisch. Dazu fehlen nur die vielen Pferde. Ich sehe ganze 4 auf meiner Fahrt. Diese Zahl kann jedoch nicht offiziell bestätigt werden, da ich bereits vor der Grenzkontrolle eine Stunde Schlaf nachhole und der unfreundlichen Kontrolleurin halbverschlafen, halbgenervt Rede und Antwort stehe. Zum Glück habe ich keine Probleme wie der dicke Schwarze neben uns, der ein halbes Whiskyfass und Millionen Tafeln an Schokolade mit sich befördert. Auf diesen Schreck brauche ich dennoch erstmal einen Kaffee und nehme diesen für 2 amerikanische Dollar im Speisewagen mit dem Kanadier zu mir. Ab der Grenze gibt es dann sogar WiFi im Zug und einen Ausblick, wie ihn mir noch keine Zugfahrt meines Lebens je geboten hat: Seen, kleine Strände, leider auf der anderen Seite. Auf meiner Seite dafür dann bizarre Sumpflandschaften, die sich mit Wäldern abwechseln, weit und breit keine Menschenseele, Flüsse, die wir über eiserne Brücken passieren und die Sonne ab dem frühen Nachmittag Wärme spendend über dem fahrenden Kühlschrank. Nach einem zweiten Powernap und gestärkt mit Kaffee Nummer 2 und 3 Eiern (ich, Linda und Estella mussten dran glauben), erreiche ich Albany. Der Ort, von dem ich bisher dachte, dass er nur bei Roger Dingens im Schlager existiere und der gleichsam die Hälfte der Strecke darstellt. Ab jetzt fährt der Zug allerdings ein bisschen zügiger (Ein zügiger Zug, haha!), was schade ist, da die Abendsonne nun auf meiner Seite auf der Wasseroberfläche des Flusses schimmert, von dem ich glaube, dass es bereits der Hudson River ist. Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Es bietet sich dem Auge ein Panorama wie im Film: Fluss, Seen, Seerosen kurz vor der ersten Blüte, dann wieder Fluss und Jetsky-Fahrer, Männer auf Booten in der Abendsonne, glitzernde Wasseroberfläche und im Hintergrund kleine, grüne Berge, Kraniche, kleine Wasserschlösser und hin und wieder eine Stahlbrücke, ein Bahnhof der pronvinziger ist, als der von Seebach(Thüringen), wo aber dennoch mehr Leute aussteigen. Verständlich, denn in diesem landschaftlichen Paradies lohnt sich ein Halt sicher.
Ich fühle mich aber auch im Zug wohl: Liegesitze mit Fußlehne, Strom, guter Kaffee, nur oberreudige Toiletten. Aber mit Reeperbahn-Hostel-Erfahrung kann mich auch das nicht mehr schocken.
Gegen Abend blitzt die Sonne immer wieder malerisch durch die Bäume, ich sehe sogar ein Reh am Rande der Gleise. Die Häuser auf der anderen Seite haben bunte, hölzerne Fassaden, nicht selten einen Union-Jack am Fahnenmast und passen einfach perfekt in ihre Kiefern-Fluss-Ami-Film-und-Bilderbuch-Umgebung. Den Sonnenuntergang möchte ich nicht beschreiben. Für seine Farben und sein Leuchten auf dem Wasser gibt es keine Wörter. Für die Dauer der Zugfahrt jedoch gibt es eines: LAAAAAAAANG! Mal sehen was mich am Ende dieses wunderschönen Weges erwartet. Dass es NYC sein wird, ist klar. Was genau das aber bedeutet, werde ich herausfinden. Big Apple, ich komme!

Erkenntnis des Tages: der Euro steht besser da als der amerikanische Dollar? Kein Wunder, dass sich dieser anfühlt wie ein billiges Post-it! ...Das Penn in Penn Station steht uebrigens fuer Pennsylvania. Ein Ort wie Merane - hat jeder schon gehoert, weiss trotzdem keiner wo es genau ist.