Ich lebe

11.June 2010 - Sydney


Eine Nacht vor Sydney haben wir es mit dem Fahren ein wenig übertrieben und es war bereits dunkel, als wir den Campingplatz unserer Wahl erreichten. Bereits bei unserer Ankunft kam uns die Sache komisch vor. Es sah mehr aus wie ein riesiges Rockkonzert, mit Kindern und Pferden. Das Gelände war mehr als voll, quoll quasi über von Menschen und Zelten. Hier und da flackerte ein Feuer und es roch erschreckend nach Scheiße. Mir ist bereits früher aufgefallen, dass die Franzosen nie andere Menschen Fragen um ihre Probleme zu lösen. Derlei innovative Ideen kommen meist von mir. Also hab ich die Sache wieder in nie Hand genommen um zu klären wo wir unser Lager aufschlagen durften. Kurzer Hand hab ich direkt das nächste kleine Feuer angesteuert um meine Englischskills auszupacken. Man erklärte mir, dass das ganze Gelände vom hiesigen Ponnyclub gemietet sei (was den penetranten Scheißegeruch erklärte), aber dass es kein Problem sei, wenn wir uns einfach irgendwo dazu stellen, für lau. Just in diesem Moment kam eine Securitydame (wozu auch immer man die bei einem Kinderponnyturnier braucht) um die Ecke und erklärte uns, dass das leider nicht gehen würde. Ich muss dazu sagen, dass ich hier immer sehr lieb mit Verboten bedacht werde. Also rüde hat man mich hier noch nie vom Hof gejagt. Zu meinem Glück befand sich in der Runde, die mir eben noch gestattet hatte sich einfach irgendwo nieder zu lassen eine Deutschstämmige. Den Namen hab ich natürlich direkt wieder vergessen, daher nenne ich sie ?die dicke Deutsche?. Sie war gerade zu geil darauf Deutsch zu sprechen und ist quasi vor Freude geplatzt als sie erfuhr dass ich aus Bielefeld komme, da ihre Heimat das benachbarte Bünde war, bevor sie vor zehn Jahren nach OZ kam. Sie hat mich an die Hand genommen, um beim Management nochmals zu fragen, ob man nicht doch eine Ausnahme machen könnte und ich hatte ein wenig angst das sie mich behalten würde. Lange Rede, kurzer Sinn, es wurde uns nicht gestattet. Der Kinder wegen und wegen der Versicherung, falls wir da beim Zeltaufbau zufällig den Reiternachwuchs mit der Zeltstange durchbohren. Also trollten wir uns und fanden nach einiger Suche einen Rastplatz am Freeway, an dem wir ein fürstliches BBQ veranstalteten und uns ebenso fürstlich den Arsch abfroren. Die Nacht habe ich vermutlich nur wegen des ebenso fürstlichen und Weltrekordverdächtigen Goonkonsums überlebt. Es war wirklich, wirklich kalt und sehr Windig. Erst am nächsten Tag konnte ich sehen warum. Vor mir breitete sich eine Ebene bis zum Horizont aus. Weit und breit kein Baum, der den Wind hätte bremsen können und wir auf einem der wenigen Berge im Umkreis. Fantastisches Bild sage ich euch.

Am nächsten Tag erreichten wir Sydney. Juhu. Eine tolle Stadt! Die Mädels hatten beschlossen ihren Van einfach irgendwo zu parken und dann dort zu übernachten. Der Franzose (seinen Namen,Sam, habe ich dann doch noch erfahren, YES YES YES) hatte von einem bekannten einen Tipp für ein günstiges Hostel bekommen und wollte dort einkehren. Ich hatte eigentlich ein wenig die Schnauze voll von Franzosen und hatte mir im Lonely Planet das Hostel rausgepickt was am nettesten klang, in der Hoffnung andere nette Menschen zu treffen, denen ich mich eventuell anschließen könnte. Sam und ich hatten den gleichen Weg und nachdem wir uns von den Mädels verabschiedet hatten, machten wir uns gemeinsam auf den Weg. Da er mehrere Wochen in Sydney gelebt hatte machte es die Sache wesentlich leichter, da ich mich ja grundsätzlich verlaufe. Wir kamen ins Gespräch und da es in ?seinem? Hostel Frühstück umsonst gab, hab ich kurzerhand umgeplant und mich ihm angeschlossen. Im ?BIG-Hostel? hat man uns zusammen in ein Gemeinsames 8-Bett Zimmer gesteckt. Ein nettes Hostel, wirklich. Nur dass es für schätzungsweise neun Zimmer auf unserer Etage mit ebenso geschätzten 8 Menschen pro Zimmer (macht 72) nur drei Duschen gab.
Die nächsten Tage habe ich mich ein wenig abgeseilt und die Einsamkeit gesucht. Ohnehin wollte Sam irgendwelche Freunde in Sydney besuchen., die er dann irgendwie nie wirklich getroffen hat und ich vermute, dass das eine einseitige Freundschaft war. Vom Montag (der Tag unserer Ankunft) war ohnehin nicht viel übrig. So ging ich mit Sam noch was essen, bevor sich unsere Wege trennten. Ich bin einfach ein wenig rumgestromert und hab die Eindrücke auf mich wirken lassen. Sydney ist anders als Melbourne. Die Menschen bewegen sich schneller, sind weniger gechillt, wirken gestresst und scheinen alle schnell irgendwo hin zu wollen. Es fühlt sich deutsch an. Alle sind weniger freundlich, üben weniger Rücksicht. Das was mir an Melbourne so gefallen hat, dieses dörfliche, das gab es hier nicht mehr. Durch die belebten Straßen Sydney zu gehen ist so, als wenn man über den Bielefelder Weihnachtsmarkt geht. Ständig wird man angerempelt. Das hat mich, war mir der Kontrast zu Melbourne doch arg vor Augen, bereits nach kurzer Zeit sehr angepisst und ich beschloss mich anzupassen. Krieg!!! Regel für das Verhalten auf Gehwegen und Einkaufspassagen sowie Mals in Sydney: Den entgegenkommenden Passanten möglichst hart umnieten. Handelt es sich dabei um einen größeren und stärkeren Menschen: nach erfolgreichem harten Tackling mit Hundeblick umdrehen und entschuldigen, beteuern, dass man in Gedanken war, insgeheim aber triumphieren und ?Fuck you, you bloody bastard? denken. Handelt es sich dabei um eine Engländerin (zumeist am geschmacklosen Kleidungsstil zu erkennen), nach Möglichkeit zu Fall bringen und so lange auf sie eintreten, wie möglich (die Engländerin und ich meine die Tussen, sind die schlimmsten und ignorantesten Geschöpfe auf Sydneys Straßen gewesen). Ist es dunkel und handelt es sich bei den entgegenkommenden Passanten um betrunkene Engländer, diesen Automatismus, bei einer Manschaftsstärke von mehr als drei Mann, nochmals überdenken. Hat gut geklappt.
Nachdem ich am Montag wieder im Hostel war habe ich den Rest des Abends?eigentlich nix gemacht und das war gut so. Am nächsten Morgen bin ich sehr früh aufgestanden und habe mir anhand der Informationen, die mir der Reiseführer gab einen Plan gemacht, was ich wann anschaue und wie auch ich mit meinen begrenzten navigatorischen Möglichkeiten wieder zurück finde. Dann hab ich mich auf den Weg gemacht. Quer durch die Stadt ging es zum Hyde-Parc, dann zum botanischen Garten. Ein Traum. Wirklich ein unglaublich schöner Ort. Schließt man die Augen duftet es überall nach Blumen. Der Park ist so groß, dass er nicht überlaufen ist, da es sich die Menschenmassen wunderbar verteilen. Ich fand das so schön da, dass ich den Großteil meines Tages in ihm verbracht habe. Der botanische Garten wird bevölkert von 20.000 Flughunden, die man aus Crocodile Dundee kennt. Die sind so groß wie Adler, machen einen höllen Lärm und fliegen jede Nacht vom Botanischen Garten in geschlossener Formation ??irgendwo hin. Ein schaurig schöner Anblick. Eine Fledermausstraße am Himmel. Von den Ausis werden sie weniger geliebt, da sie die Bäume ratzekahl fressen. Ich wusste nicht, dass die Pflanzen fressen, fand das aber irgendwie beruhigend. Lieber die als ich! Na ja? Ein Stückchen weiter trifft man auf Kakadus die so zutraulich und neugierig sind, dass man sie ohne weiteres fangen und in die Tasche stecken könnte. Hach die waren so goldig und kurz darüber nachgedacht hab ich schon. Da ich meine berufliche Zukunft im Piratendasein sehe, hätte ich mit einem Papagei auf der Schulter auch den ersten Schritt gemacht.
Nachdem ich lange mit Fledermäusen und Kakadus rumgealbert hatte, kam nun das wesentliche: Das Opernhaus von Sydney und die berühmte Harbourbridge. Ich muss sagen, schön ist es ja schon, das Opernhaus. Von außen, denn Reinlassen wollte man mich nur gegen Bares und ehrlich gesagt war es mir das nicht wert. Wie man so hört soll es innen ja eh scheiße sein,. Als ich mich gerade auf den Weg machen wollte um die berühmte um mit dem Überschreiten der berühmten Harbourbridge den Tag perfekt zu machen war der Akku meiner Kamera leer. Ärgerlich, aber da ich eh ziemlich im Arsch war und es bereits später Nachmittag war, habe ich mich über die belebte Hauptstraße auf den Weg nach hause gemacht und daheim noch ein wenig an meiner Bewerbung für Berlin gebastelt.
Den Mittwoch habe ich mit Sam verbracht. Gemeinsam sind wir mit dem Schiff zu einem der Vororte von Sydney gefahren und von da aus dann wieder Richtung Stadtzentrum gewandert. Wunderschön. Man hat zwischenzeitlich wirklich nicht das Gefühl sich mitten in einer Millionenstadt zu befinden. Durch Buschland, bewegt man sich entlang einsamer wunderschöner kleiner Strände. Sehr schön. Zudem habe Ich hab noch nie so viele scheiß große Spinnen auf einem Haufen gesehen. Das macht einen kleinen Vorgeschmack auf das, was da noch so in Australiens Norden kommen könnte. Abends waren wir vom Laufen total erledigt, haben gemeinsam gekocht und nen Weltrekord im Nudelessen aufgestellt, dann aber nix großes mehr gemacht.
Donnerstag waren wir gemeinsam auf dem Paddy Market und sind so rumschlawiienert. Freitag waren wir am Strand, wo wir uns mit Neil und Isi getroffen haben. Abends habe ich mich abgeseilt, um die Reunion Tour von Chuck Ragan zu besuchen(einer meiner Lieblingsmusiker). Der geilste Abend bis dato.
Sa. waren Sam und ich auf einem kleinen, schnuckeligen Markt im Studentenviertel, bevor wir noch einen Kaffe im bekannten Darling Harbour getrunken haben. Ich hatte einen leichten Kater vom Vorabend und war immer noch total elektrisiert von dem tollen Konzert.