Ausweichshandlungen

23.March 2009 - Sydney


Ich weiß gar nicht, wie ich diesen Bericht anfangen soll. Die letzten paar Tage waren dermaßen input-geladen, dass es mir nicht leicht fällt, einen Schwerpunkt zu finden und ich deswegen schon Probleme habe, einen geeigneten Titel zu finden. So könnte alles unter dem Motto ?Lord Mayor Welcome Reception? laufen = eine Feierlichkeit, die zu Ehren der International Students verschiedener Sydneyer Unis im Opera House gehalten wurde. Dabei war das nur eine Randerscheinung, prägnanter wäre vielleicht ?Mr. Schaefer, Karaoke Bar is calling? oder ?Ulrich gets no satisfaction?. Passend wäre auch ?Brats & Bitches?, ?Ausweichshandlungen? oder ?Ridin´ over the Harbour Bridge? gewesen. Letztendlich hätte ich noch die Wahl zwischen ?Die phasenbehinderte Lolita-Hackfresse Volley nehmen? oder ?Ich will meinem brasilianischen Mitbewohner eine Nackenschelle verpassen, während er wie ein Spast vor seinem beschissenen Laptop sitzt und World of Warcraft spielt ohne ein Scheiß Wort Englisch zu verstehen? gehabt; ich konnte mich aber nicht entscheiden. Ich fang am besten einfach mal mit dem Anfang an?

? und der Anfang fängt da an wo das Ende aufhört: Donnerstag Abend, nach dem vielleicht gerade dank nicht funktionierender Flutlichtmasten glanzlosem Fußball Training. Vielleicht sollte erwähnt werden, dass wir von der Uni auf mehr oder weniger öffentlichen Fußballfeldern trainieren, die weniger ein Fußball- als ein Rugbyfeld sind und in deren Umgebung man vergeblich nach Duschen sucht. Dementsprechend verschwitzt, stinkend und dreckig bin ich danach bei Sebastian angetanzt, wo wir uns zusammen mit Ulrich noch den Film ?Role Models? gegeben haben. Sebastian war so gnädig, mir Zutritt zu seiner Dusche zu gewähren, deren Belüftungsschacht voller Schimmel ist (Randinfo).
Anschließend war eigentlich geplant, die Nacht etwas länger durchzuarbeiten, da am nächsten Tag (Freitag) 24 Uhr Frist war, das nächste PR Assignment online zu posten. Dachte ich zumindest. Hab beim Nachhausekommen dann allerdings noch mal die Mails gecheckt und gesehen, dass es erst Montag 24 Uhr fällig ist. Also Schlafen gegangen.

Freitag wollte ich den freien Tag nutzen, um fürs Assignment vorzuarbeiten, um keinen kurzfristigen Stress vor Abgabetermin zu haben. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich genau getrieben habe, aber mit Uni hatte es nichts zu tun. Auf einmal war es Freitag Abend und ich hatte schon meinen ersten Cola-Whiskey in der Hand.
Noch ganz angetan vom letzten Samstag sind wir mit einer großen Gruppe in Richtung Ivy losgezogen. Ehrlich: Stammclub. Besser geht´s kaum. Aufgrund der Getränkepreise unter Australiern zum Teil verpönt, aber als Europäer kann man ja ein bisschen was auf sich halten.
Samstag wollte ich dann wirklich was fürs Assignment machen. Allerdings meinte die European Society, an dem Tag ein Barbecue am Bronte Beach veranstalten zu müssen. Kann man ja nicht ausfallen lassen, so als Clubmitglied ist man ja immerhin sozial verpflichtet gegenüber den anderen. Der Strand von Bronte Beach an sich ist sehr hässlich. Das Wasser ist voller Algen und Möwen streiten sich um tote Fische, die am Strand verteilt liegen. Surfen ist wegen der Klippen und Steine im Wasser auch eine eher schlechte Idee. Nichtsdestotrotz sind die Barbecue-Plätze am Strand 1A und insgesamt war die Stimmung super.
Total gerädert bin ich an dem Abend ausgefallen, während die anderen noch ins Orbit gezogen sind: Eine Bar im obersten Stockwerk eines Hochhauses, die sich im Innern im Kreis dreht und von der man einen Blick über ganz Sydney hat. Stattdessen habe ich zu Hause mal wirklich was fürs Assignment gelesen. Bin auch relativ früh ins Bett, weil wir mit dem UTS Soccer Team am nächsten bereits um 10.30 Anpfiff zum ersten Testspiel haben sollten. Unsere 2. Mannschaft sollte sich bereits um 8.30 einfinden.

Felix ist diesmal nicht gefahren, sondern ein australischer Kumpel von ihm, der letztes Jahr auch schon für das Team gespielt: Peter! Korrekter Typ!
Als wir an der Spielstätte angekommen sind (ca. 50 Minuten Autofahrt, da sich Felix und Peter nicht einigen konnte, wo wir hinfahren müssen), gab es ein weiteres Gurken-UTS-Fußball-Erlebnis: Die 2. spielte bereits, doch wo waren die Tore? Statt normalen Toren (Pfosten, Latte und alles was dazugehört) wurde ein Spiel gegen eine andere Mannschaft auf Hütchen ausgetragen. Außerdem war der Platz ein halbes Cricket-Feld, weswegen auf dem Green nicht getackelt werden durfte. Hat die allgemeine Stimmung schon mal sehr runtergezogen. Lediglich als unser eigentlicher Trainer, Tony, zur zweiten Halbzeit mit Slalomstangen angekommen ist, hatten wir auch so etwas Ähnliches wie Tore.
In der ersten Halbzeit wurden uns bestimmt 2 Tore nicht gegeben, weil der Ball angeblich zu hoch gewesen wäre, was aber im Nachhinein keiner beweisen konnte. Unser Gegner war eine Gurkentruppe und nur aufgrund der Tatsache, dass wir keinen echten Knipser haben, wurden sie mit 3:0 nach Hause geschickt. Sonntag war zusätzlich ein wirklich heißer Tag, weswegen man so eine Dusche nach Spiel schon mal doppelt vermissen kann. Wir sind nichtsdestotrotz dann ungeduscht zurück in die City gefahren, diesmal über die Harbour Bridge, wobei ein paar Schnappschüsse entstanden sind. Aufgrund der frühsportlichen Aktivität war der Sonntag irgendwie um 12 Uhr mittags schon gelaufen. Unmotiviert habe ich mich noch auf meine Bücher gestürzt und das war es dann auch schon.

I dislike my PR course. Das Thema ist eigentlich interessant, ich kann mich nur nicht entscheiden, wer bescheuerter ist: Die Tutoren, die aufgrund ihrer unmotivierenden und lahmarschigen Art es schaffen, ein interessantes Thema uninteressant zu vermitteln, oder meine Kommilitonen und (besonders) Kommilitoninnen, alles 20-jährige, kleine Missies, die gerade von der High School kommen und meinen, alles besser wissen zu müssen. Es ist mir eine Freude, wenn wir in den Tutorien Case-Studies in Gruppenarbeit lösen sollen, ich die Mädels unter sich diskutieren lasse, diese meinen, die perfekte Lösung gefunden zu haben und danach von unserer Tutorin, Judy, darauf hingewiesen zu werden, dass das alles Schwachsinn sei. Ich bin Ghandi, ich sitz das nur aus bis es vorbei ist. Ist übrigens auch ein Phänomen in Advertising, aber da sind sie nicht ganz so behindert und sehen noch einigermaßen gut aus.
24 Uhr ist dann schließlich immer näher gerückt und ich war mit meinem Assignment immer noch nicht fertig. Als Ausweichshandlung bin ich dann gegen Abend mit Basti Joggen gegangen. Obwohl hier in Sydney tagsüber die Sonne brennt, geht sie mittlerweile relativ früh (zwischen 19 und 20 Uhr) unter. So etwas wie eine Dämmerung gibt es hier anscheinend nicht. Wir sind eine große Strecke gelaufen, über die Anzac Bridge hinüber mit einem Blick auf die Skyline und den Sydneyer Fischmarkt am Abend. Gute Ausweichshandlung! Letztendlich hab ich mich dann mit meinem Assignment doch noch abgehetzt und bin fertig geworden. Irgendwie kenn ich das gar nicht anders, puh?