vorläufige Bilanz

22.April 2011 - Phoenix


Heute bin ich einmal mehr in der letzten Zeile der aktuellen Logbuchseite angekommen. Das heißt alles zusammen rechnen und Bilanz ziehen.
Seit genau drei Monaten und einem Tag sitze ich nun im Cockpit der Bonanza. In der Zeit sind 52 Logbucheinträge entstanden, 83:18 Stunden saß ich vorne links, 20:30 Stunden davon ganz allein, 4:33 Stunden wurde mir mit einer überziehbaren Haube die Sicht genommen, um Instrumentenflug zu üben, 5:05 Stunden fanden nachts statt und in der gesamten Zeit bin ich 239 Mal gelandet, davon 23 Mal nachts.

Heute war ein Prüfungsflugflug. Pünktlich gestern Nachmittag hatte die Nervosität ihren Auftritt und verschwand bis zur letzten Landung nicht mehr. Dieser Prüfungsflug ist so etwas wie der Abschlusstest für die normale Fliegerei hier in Goodyear. Danach kommt nur noch der Testflug für die Privatpilotenlizenz, der sich an den europäischen Vorgaben orientiert, die weitaus weniger anspruchsvoll sind als die Lufthansastandards. Und als allerletztes der Prüfungsflug für die Simulatorphase der Bonanza von dem man auch hört, dass er nicht allzu schwer sein soll.
Heute sollte es nun nach Norden rausgehen. In eine Gegend, die ich noch nie gesehen habe (daher auch ein Teil der Nervosität).Bis zur Hälfte lief es super, Steilkurven und Stalls liefen prima, der Anflug auf den ersten Flughafen und die zwei Landungen dort hätten auch nicht besser klappen können, dann ging es ins neue Territorium. Ich war ganz gut damit beschäftigt die Wegpunkte, die ich mir auf der Karte eingeplant hatte, nun auch in der Wirklichkeit zu finden. Wenn man sich mit ungefähr 310 km/h bewegt ergibt es ganz neue Herausforderungen Straßenkreuzungen und Brücken zu finden. So langsam fing ich an den Anflug auf den nächsten Flughafen vorzubereiten, diesmal ein großer mit Tower. Doch da gab mir der Prüfer die besagte Haube, um mir die Sicht nach draußen zu nehmen. Er sagte dann, dass wir wohl gerade in Wolken geflogen sind und sofort umdrehen sollten, dann brachte er das Flugzeug in zwei "Unusual Attitudes", d.h. zum Beispiel einen Sturzflug mit ordentlicher Seitenlage oder die Nase steil in den Himmel zeigend mit sehr wenig Geschwindigkeit aus denen ich uns wieder herausholen sollte. Plötzlich in eine Wolkendecke zu fliegen ist für viele Privatpiloten tatsächlich verdammt gefährlich. Wenn man daran gewöhnt ist nach draußen zu schauen und das Flugzeug nur mit der Außenreferenz zu manövrieren kann man ganz schnell die Kontrolle verlieren, wenn man "Draußen" eben nicht mehr sieht. Das wurde nun mit der Haube simuliert. Und es ist wirklich ziemlich erschreckend - Für die "Unusual Attitudes" sollte ich die Hände und Füße von den Controls nehmen, runter schauen und die Augen schließen. Man könnte meinen, dass man es spürt, wenn man sich drehend in einen starken Sinkflug übergeht, aber Fehlanzeige, kein Bauchgefühl, rein gar nichts. Erst wenn er sagt "You have control" und man sofort an die Controls geht und auf die Instrumente schaut merkt man in welcher Bredouille man plötzlich stecken kann.
Danach gab er mir ein paar Richtungen vor bis ich die Haube wieder abnehmen konnte. (Wir waren jetzt quasi wieder aus den Wolken heraus) Dann meinte er, dass er jetzt nicht mehr weiß wo wir sind und dass ich das doch mal rausfinden soll. Mit Funkfeuern und den Navigationsinstrumenten war das relativ schnell erledigt. Da wir ja wegen der "Wolken" nun nicht mehr nach Prescott fliegen konnten sollte ich im Flug eine Umleitung zu einem anderen Flughafen planen. Kurs ausgemessen, Flugzeit, Spritverbrauch und voraussichtliche Ankunftszeit berechnet und schon befanden wir uns auf dem Rückweg. Das Blöde war, dass ich den Punkt zu dem ich geplant hatte diesmal wirklich nicht fand und das auch noch an der ungünstigsten Stelle der Umgebung. Wir kamen von Norden her über den Westteil von Phoenix zurück und ich sollte in Glendale landen und dann weiter zurück nach Goodyear fliegen. Ich hatte mir ein großes Einkaufszentrum als Wegpunkt ausgesucht, die man hier in den USA durch die riesigen Parkplätze auch immer ziemlich gut sieht. Das alles spielte sich zwischen dem Luftraum des internationalen Flughafens von Phoenix, in den ich nicht reinfliegen darf, zwischen dem militärisch genutzten Luftraum der Luke Airforce Base und zwischen zwei weiteren Flughäfen mit Towern ab. Nun flog ich und flog ich und fand dieses Einkaufszentrum nicht. Ich wusste, dass es im Knick eines großen Highways stehen müsste und guckte auch genau dort, konnte es aber beim besten Willen nicht finden. Von den ganzen Manövern davor schon durchgeschwitzt ging es mir jetzt nicht besser. Also sagte ich meinem Prüfer, dass ich die Orientierung verloren hätte und fing an Kreise zu drehen. Was wir vorher nur simuliert hatten fand nun seine Anwendung und ich fing an mithilfe der Funkfeuer die genaue Position des Einkaufszentrums zu bestimmen und flog letztendlich nach etlichen Minuten und Kreisen mithilfe der Funknavigation darauf zu. Es stand im Knick eines Highways, aber eben eines anderen Highways. Ein paar Meilen nördlich der gesuchten Straße wird gerade eine neue gebaut, die der alten verdammt ähnlich sieht.
Naja, letztendlich habe ich hingefunden ohne Lufträume zu verletzen, machte noch eine Landung in Glendale und flog direkt weiter nach Goodyear. Zwischen den beiden Flughäfen liegen nur 13 Kilometer, entsprechend hektisch wurde es noch einmal, aber mich konnte nichts mehr schocken.
Auch wenn es nicht optimal gewesen ist in so eine Situation zu kommen, zumal ich einfach meiner Kursplanung hätte vertrauen sollen, die mich direkt darauf zu geführt hätte, anstatt in der Gegend umher zu gucken und wild auf vermutete Orte zuzufliegen, war er mit der Lösung des Problems sehr zufrieden.

Long story short: Check bestanden, überglücklich und erleichtert.