Ein Platz an der Sonne mit Schattenseiten 3

27.December 2008 - Los Angeles


Nach dem Kaffee gings zurück zum Plaza. Im Dunkeln, aber pünktlich genug zum Abendbrot, das ich zwischen Borders und Best Buy aufstöberte. Ein exklusiver Spezialitätenmarkt mit sowohl ausländischen Salat -und Fleischspezialitäten in Buffetform, die ganz fantastisch schmeckten und den Gaumen wieder mal verwöhnen konnten. Der Preis von $7.99 pro Pfund hatte es allerdings in sich, so dass ich beim Dessert verzichten und doch wieder auf McDonalds zurückgreifen musste. Zwei Cherry Pies für einen Dollar. Welch Schnäppchen. Wenig verwunderlich daher, warum in Amerika die chronische Fettleibigkeit in der praktischen Hamburgerschatulle mit Tendenz zum Tode diagnostiziert wird. Ich sag nur: Ich hab Hunger.
Obwohl die Abendgestaltung ein wenig schleppender verlief als den Tag zuvor - in klirrender Kälte wurde ich aus dem beheizten Pool gefischt. Es wäre nach Mitternacht und Zeit zu schließen und im Fitnesscenter hatte jemand mutwillig zerstört - die Nacht dank TV dennoch kürzer wurde, erwachte ich am nächsten Morgen mit neuen Kräften. Nicht wirklich, aber weiterschlafen galt nicht. Ich hatte ein Ziel vor Augen und das hieß Hollywood. Hollywood oder die Universal Studios, die ich bei meinem L.A. Besuch nicht missen wollte. Waren doch gerade die als wohl reizvollste Freizeitgestaltung angepriesen wurden.
Von wem gleich noch mal? Ach keine Ahnung. Hinfahren tu ich trotzdem. Mit dem VIP Shuttleservice. VIP? Leider nur der Name und nicht real. Wäre auch zu schön gewesen.
Nach erneutem Frühstück bei IHOP stand der Bus um 10 Uhr bereit. Dieser kurvte uns von den individuellen Hotelstandorten zur Zentrale, wo die $96 beglichen werden mussten und wir hinsichtlich der gebuchten Programme verteilt wurden. In Bussen mit bettelnden, indischen Fahrern, die sich nicht zu fein waren, auch einem Jugendlichen nachzulaufen, an der Jacke zu zupfen und anzupumpen. Ohne dass ich mich hier in die rechte Ecke rücken lasse, fand ich dieses Verhalten schäbig. Ein Grund zur Freude, denn alles was ich zückte, war meine Kreditkarte. Sorry, ist alles, was ich habe. Also sieh zu, dass du dich in deiner niederträchtigen selbst in deinen kleinen, getönten Omnibus verpisst, wo du vor Scharm im Boden versinken kannst und dich dennoch niemand sieht. Vor ein paar Jahren hätten sie dir in Indien fürs Betteln noch die klobigen Hände abgeschlagen, die in den Dreck gefallen und verrottet wären, bevor sie von Madenbefall anfingen zu stinken. Insgesamt kannst du dich glücklich schätzen, dass du nach der Attacke in Mumbai noch zwei Hände zum Fahren hast.
Viel länger kann die Arbeitserlaubnis - wenn es eine gäbe - gar nicht währen, sonst wäre das Englisch nicht so schlecht, mit dem er versucht hatte Downtown näher zu bringen, durch das wir Hollywood bedingt dann sausten. Ein richtiges Schmankerln, aber was kann man Samstagmorgen schon erwarten? Selbst die Frankfurter Börse ist nach Dienstschluss tot und leergefegt.
Sämtliche Sachbearbeiter sitzen in ihrer Engstirnigkeit in der kleinbürgerlichen Küche und essen mit Frau und ausgebliebenen Kindern - die weiße Bevölkerung ist auf dem Rückzug, während schwarze, mexikanische und asiatische Siedlungen aus allen Nähten platzen. Es scheint, das Kondom noch nicht erfunden - Marmeladentoast. Oder Hamburger. Mit doppelt Fleisch. Lecker.
Beeindruckend war die Skyline aber allemal - es wäre falsch, die Ausmaßen New Yorks überhaupt erst in Erwägung zu ziehen. Nicht objektiv genug - spielte doch gerade die Erbauung eines neuen, gläsernen Palastes mit den Reizen. Als höchster und schönster Prunkbau blieb der Bankenturm jedoch bestehen, der es mit den Rocky Mountains im Hintergrund zumindest annähernd gleichzuziehen schafft. Aber auch nur fast, denn die gigantischen Schneekuppen - im Flugzeug lange sichtbar - überragen das kleine Fleckchen Downtown um ein Vielfaches seiner selbst. Ganz anders in Manhattan - davon bin ich überzeugt, auch wenn das World Trade Center längst im Erdboden versank - aber da bin ich nicht. Leider, denn I love NY.
Aber Hollywood ist auch nicht ohne. Und im prüden Amerika schon gar nicht oben.
Hoch oben, in den Hügeln, wo der Schriftzug thront und Hollywood das Wahrzeichen stellt. Das Wahrzeichen der Stadt, welches in Miniaturausgabe von neun Lettern gefertigt und so im Unscheinbaren montiert wurde, dass es im vorbeirauschenden Bus nur kaum bewundert werden konnte. Zu klein. Zu grün. Doch ich bin schon groß. Und mit Kamera gut aufgestellt.
Es folgte hier ein Foto, da ein Foto - beide verschwommen - als der Fahrer plötzlich anfing wirres Zeug zu labern. Etwas wie "ich könnte durch die Frontscheibe schleudern und insgesamt wäre auch alles zu gefährlich." Von Polizei und Führerscheinentzug. Ja ja, aber auf den Beifahrersitz durfte ich nicht. Stand nämlich seine Tasche drauf, einst gefüllt mit fünf Mutanten - es gibt Tausend Wege, wie die Brut das neue Land erreicht - nur heute voll mit Dynamit.
Als wir kurze Hand zu den Studios gelangten - Menschenmassen säumten den gesamten Weg - erlaubte es der Pass, nach vorne zu treten, der Schlange zu entgehen und einfach durch das Tor zu schlüpfen. Hinein ins Paradies: Ein riesiger Rummelplatz. Mit großen Kinderaugen und Ballons. Und Inklusivebändchen für den Mann.
Der ist typischerweise rund und schwer, wiegt an die 140 kg und trägt seinen modischen Speckgürtel, den er wie ein fashes Accessoire um seine Hüften schnallt, mit recht viel Stolz. Essen tut er für sein Leben gern, was die Macher und Betreiber von Hollywood jüngst auf den Plan gerufen hat, das "Einmal zahlen, alles Essen" Angebot ins Leben zu rufen. Die Aktion startete so gut, dass alle Restaurants auf dem Gelände sichtbar überquellen. Und alle gleichzeitig, denn alle haben Hunger. Unvorteilhafterweise auch zur selben Zeit, was die Schlangen ins Unermessliche zieht. Hauptsächlich aber nach draußen. Man kann sich also relativ sicher sein - nicht der einzige Grund für meinen Verzicht - ein Stückchen Massenabfertigung auf einem Pappteller - Servietten, Salz und Pfeffer liegen in Plastik abgepackt am Ausgang - serviert zu bekommen, denn die Zeiten des mit Liebe Kochens scheinen längst vorüber. Wie tragisch.
Aber Hähnchen paniert samt Rohkost tut's auch. Von wegen, aber wer das blaue Bändchen trägt, sieht darüber gerne und fälschlicherweise mal hinweg. Es kann eben nicht überall verwöhnte Gaumen geben. Das wäre ja auch noch schöner.
Genauso schön wie die 4D-Animationen von "Simpsons", "Shrek" und "Die Mumie Drei", bei denen die Sitze vibrierten, mit Wasser spritzten und zu einer Fahrt ins Schwarze luden.
Ungewiss war auch die Floßfahrt im Jurassic Park Terrain, bei der elektrisierte Filmdinosaurier aus den Büschen sprangen und heftig anfingen um sich zu spucken. Dem Zuschauer mitten ins Gesicht. Chlorwasser. Lecker, aber eine gelungene Vorstellung insgesamt.
Unangenehm waren nur die langen Schlangen. Vor jeder Attraktion mindestens eine Stunde warten - da kam Disneylandfeeling auf - und sogar beim "House of Horror" - bis auf Chinesen schrie da nichts - war ne halbe Stunde drin. Grund dafür waren die Tickets zweier Klassen. Hatte es bei uns nur für die $67 Variante gereicht - Rest waren Busfahrt und Spesen, damit die Driver ihre zwanzig Kinder durchfüttern können - kam es bei der High Society knapp $100. Inklusive In-front-of-Line-Pass, der es erlaubte, mit erhobenen Hauptes gleich nach vorne zu treten und die gemeine Masse hinter sich zu lassen. Das war vielleicht erniedrigend. So fühl ich mich selten.
Um ehrlich zu sein aber ein wirklich lohnenswertes Geschäft und äußerst lukrativ, da man
nicht den halben Tag mit Warten verschwendet. Mit anderen Worten könne man doppelt so viel sehen, doppelt so viel Spaß haben und müsse einzig und allein beim Essen verharren. Und das ist vertretbar. Glaube ich.
Im Grunde genommen bin ich selbst - wie so oft - ganz neidisch geworden, auch als ich wenig später von der "Single Party" erfuhr, die gute Chancen hatte, das Anstehen zu umgehen. Extra Schlange und eine Reduzierung der Warterei auf gute zehn Minuten. Genial. Aber gut, dass sich weder das eine noch das andere großartig herumgesprochen hat. An Geld und der Bildungselite - damit spreche ich weniger die minderwertigen Bildungseinrichtungen Amerikas an, sondern ziele vielmehr auf die Quantität von gut und besser bezahlten Jobs ab - mangelt es in Los Angeles sicher nicht. Ganz sicher nicht.
Ansonsten wäre ein Vorwärtskommen nämlich erst gar nicht möglich gewesen.
Glücksmomente gab es einmal - abgesehen von den zahlreichen "Rides" und Fahrten auch nur ein einziges Mal - dennoch, als ich in die Gruppe der Privilegierten geriet, die ihren In-front-of-Line-Pass stolz am Halse präsentierten - ich hätte nur zu gern daran gezogen und das billige Bändchen aus schwarzem Stoff als Klavierseite umfunktioniert - und blindlings in die nächste Studiobahn geleitet wurden, sodass ich mir das zweistündige Anstehen hatte klemmen können. Da mögen die anderen so blöde gucken wie sie wollen. Mir doch egal. Aber Hallo.
Eine knappe Stunde rollten wir vorbei an ausgewählten Filmkulissen und Blockbuster wie King Kong, Jurassic Park und Desperate Housewives ließen grüßen. Alle habe ich sie (mittlerweile) gesehen und auch die spektakulären Brandszenen, in denen Autos von Flammen erfasst und durch die Luft geschleudert wurden, kamen mir aus "The Fast and the Furious" und diversen anderen Schinken bekannt vor.
Es folgten Showeinlagen von Stuntmännern, die unspektakulär nur aus dem Fenster sprangen und welch Zufall auf der Matte landeten, täuschend echte Haiattacken, bei denen der Taucher dran glauben musste und zerfleischt wurde, simulierte Flutwellen, die wie rauschende Bäche die Hänge hinab schossen, uns einmal durch die Beine spülte und - um auch mal ein ernstes Thema zu erwähnen - die Wasserknappheit der südlichen Hemisphäre - ganz besonders Afrika - gar vergessen ließ. Schande über Hollywood.
Fortsetzung siehe ... Ein Platz an der Sonne mit Schattenseiten 4