Sturm und mieses Wetter praegten meinen Aufenthalt in Neuseelands kleinen Hauptstadt - einwohnertechnisch gerade mal Platz vier - zwei Dinge, an die man sich weniger gerne zurueckerinnert, die zu Wellington aber einfach dazugehoeren wie das Amen in der Kirche.
Zwar regnete es nicht durch, doch die Sicht war schlecht, der Wind sauste durch mein schulterlanges Haar - Neuseelands Friseure geniessen keinen guten Ruf - und auch die Laeden schlossen puenktlich um 5.30 Uhr ihre Pforten. Als wuerde sich der Regen an die allgemeinen Ladenoeffnungszeiten halten, zumal ich in Christchurch bis kurz nach 10 Uhr shoppen konnte.
Wenigstens im Parlamentsgebaeude - der beruehmt (haessliche ) Beehive - war man sicher und durfte nach einstuendiger Gratisfuehrung durch die drei Hauptgebaeude noch der Sitzung lausechen. Oben auf der Ballustrade.
Als wir gerade in der Bibliothek standen und uns die aufwaendigen Renovierungsarbeiten um die beiden aelteren Gebaeude - sind immerhin schon 80 Jahre alt - erdbebensicher zu gestalten, erklaert wurden, schritt Helen Clark an uns vorbei - auch ihr Kostuem war nass geworden - obwohl sie im Parlament selbst den Mund kaum aufbekam. Wahrscheinlich um ihre schiefen, braunen Pferdezaehne zu verstecken, die man in natura, anders als auf belanglosen Werbeplakaten, nicht wegretouchieren kann, wo die einstige Premierministerin mit einem breiten Grinsen erhaben von der Pappe strahlt. Nach verlorener Wahl waren diese aber auch relativ schnell wieder verschwunden und saeumten nicht wie bei der NPD noch Jahre nach der Landtagswahl die Strassen in Schwerin und riefen zum Boykott der Bonzen und der Russen auf.
Drei Tage dauerte das Tief - zu lange um im Parlament zu hocken. So viele Schoenheitsfehler haette ich bei Clark, Key & Co gar nicht zaehlen koennen, die sich im primitivsten Jargon gegenseitig beschimpften, waehrend andere Abgeordnete ihre Weihnachtspost sortierten, lasen oder nach Hause telefonierten.
Routine und das Nationalfernsehen war mit dabei. Von nachmittags um zwei bis Abends um 10 Uhr - ehe der Donnerstag gutes Wetter einlaeutete.
Nach zwei schmuddeligen Tagen in Kaikoura war der Sonntag ueberraschenderweise genial. Die Sonne knallte und praesentierte die Malboroughregion in ihrem ganzen Charme. Eben so, wie man es auf der Hinreise gewohnt war. Unterm Strich also ein genialer tag fuer Whalewatching in beliebigem Medium - ob Wasser oder Luft, ganz gleich - aber auch die Faehrueberfahrt nach Wellinton, an der die Hauptsaison nicht spurlos voruebergegangen war. Kostenpunkt $55, nach anfaenglich $39 im Oktober. Nur konnte ich ja schlecht bis Mitte April warten, zumal zwischen Kaikoura und Picton, das sich von einem kleinen, verschlafenen Nest zu einer immernoch kleinen - mittlerweile ueberfuellten - erwachten Touristenhochburg gemausert hatte, nun wirklich nichts liegt.
Gut, ein paar groessere Seeloewenkolonien vielleicht, die sich faul in der Sonne waelzten und gegenseitig mit verspielt, infektioesen Bissen neckten.
Nach Robben und Seeloewen in Milford, den Catlins, Otago, Canterbury und Kaikoura laesst mich der Anblick dieser gefaehrlich aggressiven Bestien aber so kalt wie der einer Hummel.
Und auch die Auslaeufer der Alpen und Kaikoura Ranges gibt es noch. Wie aufregend. Schoen also, dass man am spaeten Nachmittag doch noch Wellington erreichte und von einer geballten Ladung Flair ueberwaeltigt wurde: Ein geschlossenens Cafe nach dem anderen. Um 6 Uhr.
Ich weiss ja nicht, wann die Leute ihren Cafe trinken, aber offenbar bereits am Vormittag. Und das, wo die Cafedichte per Capita - Wellington hat mehr Cafes und Coffeeshops pro Einweohner als New York - gerne mal angepriesen wird.
Als mich eine Freundin aus Auckland von der Faehre abholte und auf ein Kaeffchen einladen wollte - wer hier dick die Kohle schaeffelt, der kann sich sowas halt erlauben. Wer sich sechs Wochen lediglich als Sklave einspannen laesst, der nicht - war es relativ schwierig, etwas passendes zu finden. Doch an der Hafenfront wurde man fuendig.
Kaffeetrinken, neben Shoppen - aber bitte nicht zu lange. Die Verkauefer wollen Feierabend - ohnehin das einzige bei schlechtem Wetter. Als sich wenig spaeter dann noch eine Rabattkarte - 50 Prozent auf jedes heissgetraenk - von Esquires Coffee - neben Starbucks mein absoluter Liebling, auch wenn es die Baristas in Wellington einfach nicht drauf haben, neben der Bestellung mal ins Handy tippen, vor Ueberforderung ein Glas fallen lassen, $1 extra fuer Sahne berechnen oder den perfektenm Shot ganz einfach versauen. Schande ueber Esquires - zu greifen bekam, war ich uebergluecklich und konnte - es war mehr die Folge daraus - das Kaffeetrinken endlich exzessiv betreiben. Was fuer ein Spass.
Dass alle Leute, die sich vermeintlich in Wellington aufhalten und mir Unterschlupf gewaehren sollten, die Stadt verliessen oder bereits verlassen haben um in den Sueden zu ziehen, fand ich weniger spassig, doch Abhilfe stand schnell bereit.
Zu viert - noch zwei Deutsche und eine Suedkoreanerin - erkundeten wir den Botanischen Garten, den haesslichsten, den ich in meinem ganzen Leben je gesehen habe und den Titel botanisch aberkannt bekommen muesste: Ein Bueschel Thymian, zwei Staengel Rosmarin, dazwischen wilder Loewenzahn, Graser und anderes Gewuchs, nennt sich Herbgarden und auch der Sculpture Park beschraenkt sich auf lediglich eine Skulptur. Ein geschliffener Stein. Der Hammer.
Und so eine Kruecke in der Hauptstadt mit Flair.
Dabei ist die Hanglage und der Blick ueber die City echt genial, die vom sagenumwogenen Cable Car, das eine kurze, nette Auffahrt sichert, mit dem Central Business District verbunden wird.
Oben angekommen erwartete uns dann die klarste Sicht ueber Bucht, Hafen und Zentrum um Courtnay Place und Lampton Quay, die eigentlich einzige Sicht ueber Wellington, nachdem die Wanderung auf umliegende Gipfel am Vortag mehr oder weniger im Trueben verlief. Bei soviel Sonnenschein fiel es sogar relativ schwer, alle Must-see und Must-do Outdooraktivitaeten unter einen Hut zu bekommen. Es war schliesslich die letzte Moeglichkeit vor meiner Abreise und noch immer gab es eine Menge zu entdecken und zu sehen.
Wenigstens musste ich mich nicht mehr mit Parlament und dem Vorzeigemuseum Te Papa auf sechs Etagen herumschlagen, da man solche Ausfluege getrost auf Regentage verlegen konnte, wovon es am Anfang nur so wimmelte.
Auch fuer Kultur -und Museumsbanausen war Te Papa ein paar Stunden wert, zumal es nicht nur weisse Schrifttafeln zu erkunden gab, sondern auch die Geschichte von Maori, den ersten Siedlern Neuseelands und dem einst weltweit groessten, flugunfaehigen, mittlerweile aber verstorbenen Vogel, dem Moa, in Erfahrung gebracht werden konnte. Dabei wurde mit verschiedensten Multimediaeffekten gearbeitet, die einem die Auswirkungen eines Erdbebens, die Masse eines Stuecks Erdkruste oder ein toter, in die Wanne gepresster Tintenfisch gekonnt, zum Teil spielerisch naeher brachten. Schreit nach einem Ausblick fuer die ganze Familie und dementsprechend laut und voll war es auch.
Das gute: Der Eintritt war frei, sodass man sich auch die ganze Woche haette Zeit nehmen koennen, die es auch durchaus bedarf, alle Informationen zu lesen und zu verarbeiten.
Mir aufs erste reichten aber zwei Stunden Museumsbesuch Nonstop vollkommen. Mein Wissensdurst war also relativ schnell wieder gestillt, sodass ich die renomierte Art Gallery gar nicht erst betrat. Wie denn auch, wenn alles schon vor 18 Uhr schliesst? Vielleicht ja dann in Auckland. Kurz vor Mitternacht.
Nach so viel Kultur musste ich erst einmal ausspannen und das ging am besten am Dienstag, dem Kinotag, wenn der neue James Bond "Quantum of Solace" auch eher nicht so der Renner war. Die $10 fuer alle Filme am Dienstag haben mich aber doch schon ziemlich stark an zu Hause erinnert. So ein Zufall auch. Waren die Kinobetreiber aus Wellington wohl in Schwerin unterwegs - Stoeren taete es mich nicht. Im Gegenteil. Neben Gondoleuren in Christchurch, schlecht kopierten Adventskalendern in den Supermaerkten - die billigen ALDI-Importate aus Deutschland werden nur in ausgewaehlten Spezialitaetengeschaeften und altehrwuerdigen Kaufhaeusern gehandelt, waehrend Spitzenprodukte aus feinster Lindtschokolade zu "Dumpingpreise" in jedem Konsum haengen. Verkehrte Welt - und deutsche Luxuswagen auf Neuseelands Strassen haben sich ein paar nette Braeuche und Traditionen aus Deutschland auf der Inselgruppe etabliert. Wenigstens etwas. Aber wie gesagt, der Film war schlecht.
Aehnlich wie das Wetter, ausser an besagtem ersten und Anreise -und letzen Tag vor meiner Weiterfahrt nach Taupo, an dem wir erst das Cable Car befuhren, gleichnamiges Museum im aermlich angelegten Botanischen Garten besuchten, am Nachmittag entlang der Uferpromenade nach Miramar, einem Suburb von Wellington, wo die Reichen an der Strasse parken und ihre Einkaufstaschen mittels einer Privatgondel in die Anwesen und Villen auf den Haengen buxierten, was offenbar einfacher, vor allem aber vornehmer ist, als eine Strasse um die Huegel herum zu errichten, wanderten und Sturm und Windgeschwindigkeiten voellig vernachlaessigten, der uns auf dem 90-minuetigen Rueckweg fast von der Kante blies.
Abends war in den meisten Clubs und Bars am Courtnay Place mal wieder tote Hose - alle Buergersteige in saemtlichen anderen Stadtteilen waren ohnehin schon hochgeklappt - sodass die Auswahl relativ einfach war und auf "The Etablishment" fiel, wo sich Menschen in allen Altersgruppen - gut, lediglich von 18 bis 58 - auf der Tanzflaecher draengelten, schubsten und zu Musik von Led Zeppelin und weiss der Geier ordentlich Party machten. Also auch was fuer Papa.
Zum Glueck stellte sich schnell heraus, wie wenig Durchhaltevermoegen die Livebnand besass, die nach drei, vier Liedern immer wieder pausierte und von Charts, Black und R'n'Bmusik abgeloest wurde. Yeah.
Fortsetzung siehe Wellington oder der Inbegriff fuer schlechtes Wetter 2.