Wieder daheim 2

11.January 2009 - Gneven


Glück bei der Platzierung, Pech bei der Essensvergabe: So ist das Leben. Hart und ungerecht. Auf keinen meiner bisherigen Flüge musste ich wirklich hungern. Doch nun war es soweit. Da halfen selbst die kleinen Vorräte, die ich von meinem zwar schmackhaften Abendbrot abgezweigt hatte, und die ständigen Rennereien für eine Minitüte Chips ins hintere Abteil nichts. Der Grund: Die erste Mahlzeit gab es noch auf der Startbahn - und man fing nicht dezent mit einer Tüte Chips, zu der dann auch noch ein Getränk gereicht wurde an - die zweite kurz vor der Landung. Im Klartext: 10 Stunden ohne Essen, als dürfe Air New Zealand seinen Fluggästen das Ultimatum Schlafen oder Hungern stellen. Ich musste mich notgedrungen für das Hungern entscheiden und kämpfte seitdem mit meinem Bewusstsein, so schwach war ich geworden. Welch rabenschwarzer Tag. Nach Hause müsse ich heut auch noch.
Trotz keiner einzigen Sekunde Schlaf, war das Entertainmentprogramm - man hatte schon auf den Monat Januar umgestellt und demnach die allerneusten Filme freigeschaltet. Momentan waren sie zumindest noch neu - überdurchschnittlich gut. Mir blieben auch satte 43200 Sekunden - abzüglich der gelaufenen Runden durchs Abteil - bestehen, um diese auszutesten.
Gut, allzu lange konnte ich dann doch nicht von den Neuheiten profitieren und musste auf altbekanntes - oder eben nicht - zurückgreifen, sah mir "Das Schweigen der Lämmer" an und machte mir fast in die Hosen, so gruselig war der Film gedreht.
Das war ein Scherz.
Im Großen und Ganzen hungernd erreichten wir dann auch überpünktlich London - leider nicht den Picadilly Circus - Heathrow, drittgrößten Flughafen Europas. Die bunten, hübsch im Körbchen anzusehenden Bonbons hätten die Stewards und Stewardessen ruhig stecken lassen können. Die mochte ich schon auf dem Hinflug nicht. Verwunderlich also nicht, dass sie kaum geleert wieder in die Ecke getragen wurden. Ein Jammer. In den Mülleimer hätten die gemusst.
Der Airport selbst war übersichtlich gebaut und demnach schnell durchschaut. Angekommen auf Terminal 2, wartete auch gleich der erste - und eigentlich letzte - Sicherheitscheck auf die hereinströmenden Gäste der Anschlussflüge weltweit. Der EU-Überprüfung -und Kennzeichnung konnte ich mich ja glücklicherweise entziehen, aber am Security Gate gab es Stress. Eine sibirische Frau und ihr Mann hatten Flüssigkeiten in ihrem Koffer versteckt, obwohl vorher vermehrt darauf hingewiesen wurde, alle Flüssigkeiten weniger, gleich 100 ml in Klarsichttüten zu verpacken oder anderenfalls zu entsorgen.
Eine Flasche Flüssigsprengstoff wollte ich natürlich nicht an den Kopf geworfen bekommen und entfernte mich vom sogenannten Brandherd, wo die Frau auch noch die Frechheit besaß, das Gepäckstück an sich zu nehmen, während eine Angestellte mit der Inspizierung begann. Sie wären in Eile, stotterte sie mit einem kantig-russischen Akzent, schnauzte ihren Mann in deren Muttersprache voll, gestikulierte wild mit ihren Armen, dass ich beinahe eine verpasst bekäme und meinte letztlich: Sie müssten los. Sie würden sonst ihren Flug verpassen. Aber sicher doch. Hier läuft zum Glück alles nach Vorschrift und Waffen werden bestimmt auch noch gefunden und da reicht es eben nicht so zu tun, als täte man von nichts wissen.
Aber da war ich schon mit einem breiten Lächeln in der Abflughalle Terminal 2 verschwunden. So erfüllen einen auch die kleinen Dinge des Lebens mit Freude, der Schadensfreude.
Von der Abflughalle Terminal 2 waren es nur wenige Gehminuten zu Terminal 1, obwohl sich schnell herausstellte, dass zwei die größeren und schöneren Arkaden hatte. Nur Starbucks, der fehlte auch hier. Verwunderlich eigentlich, wo Starbucks in London doch wirklich an jedem Häuserblock liegt. Und gefüllt noch dazu. Welche Enttäuschung also auf den Abstellterminals 1 und 2.
Mein Flug ging erst um 15.00 Uhr rechnete ich. Das waren noch knapp vier Stunden Aufenthalt in Heathrow. Dass man sich nicht frei von einem - zum Beispiel zum Pannenterminal 4, wo man bei der Erbauung dran gedacht hatte - zum anderen Terminal begeben konnte, merkte ich später. Aber es fuhr ja ein Bus. Das man überall noch einmal neu durchchecken musste, war Pech. Aber ich hatte ja Zeit und nichts zu befürchten. Ganz anders das ältere Ehepaar, dass sie hoffentlich gleich weggesperrt und nach Guantanamó verschifft haben. Kurz vor der Schließung.
Ich hatte mich für Nummer 3 entschieden. Dazu musste ich nur den dazugehörigen Shuttle finden und konnte gut fünf Minuten Fahrt über Airport, Rollbahn, vorbei an Abstellkammern, Garagen und Logistikbetrieben, wo dunkle Gestalten mit Cappy herumhantierten, genießen, stieg schließlich aus und lief die Treppe hoch. Security Check. Schon wieder. Es wird langweilig.
Aber die Abflugshalle war schön. Schön neu und auch der Starbucks im Zentrum nicht zu übersehen. Halt was fürs Auge und selbst die Läden und Geschäfte machten mehr her. Hier wurden Passagiere nicht nur 0/8/15 Boutiquen, die einem Sonnenbrillen und Billigparfums hinterher schmissen und durch schlechte Lagerung weiß gewordene Vollmilchschokolade im Kilopaket von vorletztem Weihnachten, vorgesetzt, nein, hier werden auch die verwöhnten Nasen fündig. Gucci hier Prada da, Louis Vouilton um die Ecke und Armani gab es auch. Standartläden wie Hugo Boss und Polo Ralph Lauren will ja hier schon keiner mehr sehen. Na gut, bei der Weltwirtschaftskrise finden vielleicht auch diese wieder Zulauf. Vielleicht.
Mir genügte Starbucks dennoch, wenn ich auch einen Besuch bei McDonalds oder BurgerKing vorab vorgezogen hätte. Terminal 4, das wäre es gewesen. Die hatte gleich beide. Egal, ein Venti Caramel Frappuccino mit extra viel Sahne - die Temperaturen gaben sich trotz Eiszeit in London sommerlich - und ein Blueberry Swirl Cheesecake mit Almond Crumble Topping - Cheesecake. Endlich. Hatte ich in ganz Neuseeland und Los Angeles vermisst, wobei in Down Under mit Carrot Cake und Chocolate Mud Cake ein gleichwertiger Ersatz geboten wurde - taten es auch.
13.30 Uhr. Ach du Scheiße. Noch anderthalb Stunden bis zum Flug. Der Kuchen war alle, der Kaffe leer, was machen? Klar, n neues Stück Kuchen to Go. Krieg in der Zeit bestimmt noch mal Hunger. Diesmal Carrot & Passion Fruit Cake. Yummy. Aber den nehme ich mit zum Terminal 1, damit kulinarisch auch mal was Gutes, Hochwertiges über die Grenze schwappt.
Probleme beim erneuten, diesmal wirklich finalen Security Check im Terminal 2 machte mir das Goddy mit dicker Cream Cheese Frosting in der Starbuckstüte nicht. Glück gehabt.
An meiner Destination angekommen, setzte ich mich in einen drittklassigen Coffeeshop, packte das edle Stück Kuchen genüsslich aus und verspeiste es mit langsamen Zügen, dass den umliegenden Reisenden der blanke Neid im Gesichte stand. Zumindest habe ich mir das eingebildet.
Tja Leute, so etwas Gutes gibt's hier eben nicht. Und wenigstens kann ich nicht von mir behaupten, den guten Umtauschkurs zum Euro nicht genutzt zu haben. Grundsätzlich hieß es bei mir: Starbucks zum Abwinken in den letzten paar Tagen, weil es in Amerika und England vergleichbar mit Deutschland einfach unverschämt billig ist. Toller Euro.
So, mein Gate war eine halbe Stunde früher immer noch nicht angezeigt. Klasse. Man muss dabei aber wissen, dass es in Heathrow grundsätzlich erst 20 bis 15 Minuten vor Abflug auf dem Display erscheint. Was der Schwachsinn soll? Keine Ahnung. Vielleicht um einen Terroranschlag zu vereiteln. Da mache ich ja den Vorschlag, gar keine Gates mehr einzublenden. Das wäre hilfreicher.
Gut, dann gehe ich eben noch mal ins Harrods - oder in deren Miniaturausgabe mit Muddies liebsten Tee -und Gepäckmischungen im Sortiment ? und ins Fortnum&Mason, Spezialitätenfachgeschäft, welches auf dem Flughafengelände große Expansionspläne hegt.
Teuer und exklusiv letzten November in Piccadilly, verstaubt und billig auf Terminal 1.
75 Prozent Rabatt auf alles - Schokoladen ausgenommen - ein Zeichen dafür, dass der After Christmas Sale bereits angelaufen ist. Und zwar auf Hochtouren.
Aber das merkte ich erst fünf Minuten vor Boarding. Schnell noch zwei beliebige - im Vergleich zu damals spottbillige - Gläser Marmelade gegriffen und ab zum Flug, den letzten und kürzesten auf meiner langen Reise um die Welt.
Fortsetzung ... siehe Wieder daheim 3