Man könnte meinen, es wäre das Selbstverständlichste auf der Welt, nur traf es bei mir einfach nicht zu. Nein, zurück im Lande zu sein assoziiere ich mit allem, nur nicht mit Freude und Glück. Im Gegenteil. Eine Enttäuschung machte sich breit, als ich das Flugzeug von Auckland verließ, eine noch größere als ich London-Heathrow betrat und eine kaum zu überbietende - dass mein Zivi im Kindergarten so schrecklich werden würde, konnte ich damals noch nicht ahnen - als ich pünktlich 17.30 Uhr in Hamburg landete, auch wenn man sich sicherlich auf Familie und Freunde - oder das was davon noch übrig geblieben ist - freute, eine Freude die nicht lange währte und spätestens als die Routine zurückkehrte, verschwand. Und das war schon am nächsten Tag, zu Omas Geburtstag. Klasse.
Dass es flugtechnisch zu keinen Verzögerungen kam, erleichterte meinen Einstieg zurück ins Leben enorm, welches ich die nächsten paar Tage ohnehin im Bett verbrachte.
Schlafdefizit oder Jetlag? Das ist hier die Frage. Man munkelt ja noch, aber ich bezweifele stark, dass ich - flugerfahren und durchtrainiert - an einem ordinären Jetlag "erkrankte". Dass ich hingegen ein paar Stunden Schlaf, besser gesagt, vier Monate, dringend benötigte und aufholen musste, war kein großes Geheimnis mehr.
Im Schnitt sechs Stunden Schlaf in Los Angeles - es gab Whirlpool, Pool und sogar ein Fitnesscenter, das ich nur nachts beanspruchen würde. Alleine - das musste reichen. Wollt schließlich noch was vom Tag erleben. Dass ich meiste Zeit an der Rezeption oder beim Bellman mit chronischer Idiotie damit verbrachte, eine Route zu meinem sorgfältig bei Starbucks ausgewählten Ziel zu finden - und jedes Mal vergeblich - hätte ich wissen müssen. Die vielen Stunden, die ich an den nichtsnutzigen Mexikanern in Chauffeurskittel verloren habe, musste ich jetzt in den letzten Minuten vor meinem Flug um 4 Uhr wieder rausholen. Und nicht mit dem veralteten Streckenmaterial, mit dem man mich fütterte. Ich brauchte eine schnelle, zuverlässige Quelle, musste die Sache also selbst in die Hand nehmen und bei der Busgesellschaft anrufen. Es ging Shoppen - was in der Manhattan Village Mall nur schwerlich möglich war - in Los Angeles größten Mall, dem Del Amo Fashion Center mit 300 Geschäften und Department Stores. Der Hammer. Nur war es gerade Sonntag und geöffnet wurde nicht vor Elf. Ein Buchladen und Macy's bildeten zwei Ausnahmen, die wenig hilfreich erschienen, nachdem ich bis auf ein Buch nichts Passendes finden konnte. Und das, wo mein Bus - läppische 50 Cent one way - schon 9.45 Uhr stoppte, ein riskantes Spiel mit der Zeit, da ich den übernächsten um 12 Uhr um jeden Preis kriegen musste. Das gab mir genau eine Stunde in der Mall und eine Stunde Busfahrt plus Weg zurück zum Hotel.
Überstürzt stürmte ich die zwei Kilometer von der Bushaltestelle zu meinem Zimmer, lud die eingekauften Pullover und Jacken ab und versuchte vergebens einen Gepäckwagen mit Pagen zu organisieren. Ich erhielt weder noch, checkte aus, rannte die Tausendmeter in den siebten Stock des Südturms, wieder runter um einen Wagen abzufangen, der zwar nicht für mich bestimmt war, aber das war mir egal. Mein Flug ging in weniger als drei Stunden und die Mexikaner in ihrer unfreundlichen, unwissenden Art und ihrem nichtverständlichen Akzent, kotzen mich einfach nur noch an. Es stand fest - eigentlich schon von vornherein - dass es ein Trinkgeld nicht geben würde. Ich lass mich bestimmt nicht so abfertigen. All die Fehlinformationen, mit denen ich Tag für Tag versorgt wurde, waren Mist. Alleine heute stimmte nicht mal die Hälfte. Das Del Amo Fashioncenter würde schon um 9 Uhr aufmachen - Irrtum, es ist Sonntag - und der Torrance Number 8 Bus täte erst gar nicht fahren, denn es wäre ja Sonntag. Nur lag schon wieder ein Irrtum vor. In einem so konsumorientierten Land wie Amerika gibt es nämlich sonntags kein Verkaufsverbot. Da schert sich niemand um die Kirche, die unter Umständen sogar nach einem Ladenschlussgesetz verlangt, aber wahrscheinlich gehen die Priester und Vikare selbst shoppen oder kaufen sich ne neue Bibel. Mit Goldumfassung.
Na wenigstens war auf den Shuttle verlass. Der fuhr alle 20 Minuten - dabei wurde peinlichst auf die Sekunde geachtet - gen Airport um neue Gäste einzufangen und die anderen vor die Tür zu setzen. Von denen konnten die derben Mexikaner ja nichts mehr erwarten und ehe ich man sich versah, lagen die Gepäckstücke im Dreck. Ich selbst sah nur noch die Rücklichter und konnte nicht mal einen Gepäckwagen organisieren, sodass ich zwei Polizisten engagieren musste, die ein Auge auf den Rucksack warfen, während ich in der Zwischenzeit den Sack in das Terminal hievte. Die Warnung-slash-Drohung "Don't leave your baggage unattended" kannte ich ja noch von Auckland, als ich meine Jacke nicht mit auf Toilette nehmen wollte und an einer Stuhllehne hängen ließ. Nach meiner Rückkehr - binnen einer Minute - war der Platz leer. So was Blödes. Wer klaut denn bitte am heiligten Tage eine Jacke? Noch dazu so eine hässliche, wo es von Security Leuten und Kameras hier nur so wimmelt?
Erst als ein Großaufgebot an Personal um einen Gegenstand versammelt stand und diesen inspizierte, wusste ich bescheid. Oops. Wenigstens hatte ich meine Jacke wieder. Endlich.
Geschafft. Jetzt stand ich also auf Kaliforniens größten Flughafen und hatte beide Gepäckstücke auf einem Trolley - stand einfach so in der Abfertigungshalle rum, während draußen auf der Strasse vor Terminal 4 eine hohe Gebühr erhoben wurde - beisammen und konnte mehr schlecht als recht zum Einchecken übergehen. Hektisch warf ich die Rucksäcke auf die Bänder, musste sie aber gleich wieder an mich nehmen und zur Sicherheitskontrolle fahren. "Stell einfach aufn Boden!" Was, da in den Dreck? Du spinnst wohl. Aber ich musste auch auf Toilette - bitte nicht die Jacke liegenlassen - wollte das Elend, wie meine Unterwäsche durchwühlt, die Schokolade probiert und die Starbuckstassen zerschlagen wurden, gar nicht mit ansehen, lud alles ab und war verschwunden. In der nächsten Schlange vor der Schlange vor den Security Gates, wo einem die Pässe aus der Hand gerissen wurden, wo weder geliebfloskelt noch in irgendeiner Art gelächelt wurde. Aber anstelle der dicken Afrikanerin auf ihrem fetten, schwarzen Arsch hätte ich sicher auch nichts zum Lachen gehabt. Verständlich also? Von wegen. Man hätte wenigstens grüßen können. Aber gut, dass wir darüber gesprochen haben.
Die restlichen Schleusen habe ich relativ schnell über mich ergehen lassen um schließlich von fünf Läden und fünf Verköstigungsständen mit Sitzecke enttäuscht zu werden. Super, ich fühl mich ja jetzt schon wie in Lübeck. Was in aller Welt sollte ich bitte in den nächsten zwei Stunden zwischen Sonnenbrillen, Parfums, Zeitschriften, hässlichen Postkarten, amerikanischen Schokoladenspezialitäten - Made in Belgien - BurgerKing mit exorbitanten Flughafenaufpreisen und einem Steakhaus wühlen?
Als würde ich einen dritte Weltflughafen anfliegen, für den eine abgespeckte Version der sonst üblichen Airportarkaden ausreichend und vertretbar wäre? Aber ich glaube, davon kann bei London-Heathrow mit seinem Vorzeigeterminal 4 - wo sich eine Panne an die andere reihte - kaum die Rede sein. Man ist schließlich in Europa.
Ich auch gleich. Doch vorher beruhigte ich mich bei Starbucks, trank eine Winterspezialität und aß ein Stück Kuchen, welches so sättigend war, wie der große Frühstücksburrito, den ich mir vor Aufbruch ins Modeparadies gegönnt habe. Was für ein langer Tag. Und noch immer nicht vorbei.
Als ich dann kurz vor Abflug - wie die Zeit so schnell verstreichen konnte ist ein Rätsel. Normalerweise könnte man allein bei Starbucks Nachmittage und Abende verbringen, nur passiert es nicht häufig, dass man die Ellenbogen der vorbeilaufenden Masse in den Nacken gestoßen bekommt, da man ja selbst schon auf dem Durchgang sitzt und von der atemberaubenden Metropastimmung betäubt wird - noch in der Halle herumgeisterte, ein letztes Mal auf Toilette war, wurde ich gleich ausgerufen. Ich möge mich doch bitte unmittelbar am Gate Nummer Sowieso einfinden. Alle Passagiere säßen bereits ungeduldig in der Maschine. Oh ja, davon bin ich überzeugt. Nur weil ich keine halbe Stunde vor Abflug brav in der Schlange zum Boarding stehe. Bin doch nicht bei Ryan Air und auf die Plätze, fertig los.
Aber Gott sei Dank wurden mit mir noch eine Reihe anderer Passagiere zum Einstieg gebeten, sonst hätte ich womöglich doch noch Anzeichen eines schlechten Gewissens bekommen. So natürlich nicht.
Die Flugbegleiter jung und schlank - Aknenarben scheinen in Neuseeland kein Schönheitsmakel zu sein - und selbst das Schiff stellt eine Verjüngung der gesamten Flotte dar. Alles glänzt und scheint - gewaschene Decken, die jetzt mein Kinderzimmer zieren und neue Kotztüten gab es auch - alles neu. Dass die übrig gebliebenen Essen vom Vortag noch mal ausgeteilt und auch die Brötchen zum dritten Mal aufgebacken wurden, ließ sich trotzdem nicht vermeiden. Aber so spät wie meine Reihe ihr Essen bekam, wird es wohl frisch gewesen sein und dabei hatte ich Glück: Wieder ein Gangplatz unmittelbar am Fenster und neben meinem nur der Fensterplatz belegt. Das hieß genügend Spielraum für Gepäck, Müll und Lebensmittelaufbewahrung in der Mitte.
Fortsetzung ... siehe Wieder daheim 2