Zugfahrt von Lhasa nach Chengdu
Ni hau Ihr lieben,
2 Tage, 2 Nächte, 44 Stunden, auf einem kleinen Sitz, zwischen chinesisch schnatternden Chinesen und über 5000 m hohe Berge durchs Himalaya von Lhasa nach Chengdu. Einerseits könnte ich sagen, dass es die 2 schlimmsten Nächte meines Lebens waren, andererseits haben so einen sehr hautnahen Einblick über kulturelle Verhaltensweisen, bzw. einen interkulturellen Schock was einige dieser Verhaltensweisen angeht. Erst mal ist zu erwähnen, dass Chinesen irgendwie immer hungrig zu sein scheinen. Bereits als wir in den Zug eingestiegen sind, schienen mir die Taschen, voll mit instant Lebensmittelprodukten recht übertrieben. Nicht zuletzt weil sie einfach schon größer als das Hauptgepäck der Chinesen waren. 10 min nach Abfahrt begannen die ersten im Zug sich aus einem Wasserhahn, aus dem Abgekochtes Wasser kam, sich ihre Instant Nudeltöpfe aufzufüllen und schlürften in regelmäßig kurzen Abständen immer mal wieder einen. Abwechslungsreiche Gerüche aus Aromen von Chili, Huhn und Soja umschwirrten unsere Geruchsknospen und um das sinnliche Erlebnis noch prägender zu machen holten sie zwischen den Nudeltöpfen uns sehr fremdlich erscheinende Plastikpackungen hervor, in denen sich Hühnerkrallen, Schweinsohren und Fleischstücke gut konserviert mit grünen Peperoni den Platz teilten. Die knabbern wirklich an Hühnerkrallen. Da sind noch die Nägel dran. Es ist so ekelhaft!!! Alles was bei uns im Hundefutter landet, knabbern Chinesen genüsslich vor sich hin. Trifft der chinesische Zahn dann mal auf ein Stück Knorpel, welches wohl auch für deren Gaumen ungenießbar scheint, wurde dies mit der Zunge zwischen die Vorderzähne jongliert und ohne mit der Wimper zu zucken in den Gang oder vor unsere Füße gespuckt. Ihre Zeit vertrieben sie mit ausdauernden Kartenspielen, lautem durcheinander blabbeln und für mein Ohr schreckliche Handymusik, die dann die ganze Nacht uns jegliche winzig kleine Restchance auf Schlaf versagte. Der Zugabteil wurde von Stunde zu Stunde einer Müllhalte ähnlicher, genau wie der Anblick der Toiletten den Drang aufs Klo zu müssen um einige Stunden verzögerten. Aber wie immer im Leben gibt es in jeder unangenehmen Situation den Sinn und Zweck, und uns wurde mal wieder bestätigt, dass man Geschehnisse erst im Zurückschauen verstehen kann. Eigentlich hatten wir nämlich einen Platz in einem Schlafabteil, der uns aber kurz vor reiseantritt genommen wurde, da eine chinesische Delegation natürlich die besseren Sitze bekommen sollte. Somit blieb uns nur noch der Platz im Wagon. Wäre dieses jedoch nicht so passiert, hätten wir niemals Joy kennengelernt. Joy ist Chinesin, deren Eltern in Lhasa leben und arbeiten. Sie besucht die Schule in Chengdu. Wir haben ihre Hilfsbereitschaft genießen dürfen und haben 2 Tage in Chengdu gemeinsam mit Joy und ihrer Freundin in ihrer Wohnung leben dürfen. Die beiden haben uns die Stadt gezeigt und wir haben ganz leckere Sachen gekocht. Diese Bekanntschaft hat uns einiges erleichtert. In China hat der nicht Asiate eher weniger Chancen zurechtzukommen, ist man nicht zufällig der chinesischen Sprache oder Schrift vertraut. Stellt Euch vor, Ihr kommt ganz unverhofft von Lhasa mit dem Zug in einer Stadt an, von der ihr bis heute noch nicht wusstet, dass sie überhaupt existiert, noch nicht einmal obwohl sie 10 Mio Einwohner hat!!! Ihr steigt aus, kommt in die Bahnhofshalle und sucht nach einem Schild, auf dem ihr auch nur einen kleinen Anhaltspunkt für die weitere Planung findet. Vergebens. Alles was ihr findet sind chinesische Zeichen, die toll aussehen und man sie schon mal auf Arme oder Beine tätowiert gesehen hat. Kein Mensch spricht Englisch und plötzlich verstand ich den Tipp eines Freundes, mir einen kleinen elektrischen Übersetzer mitzunehmen. Ich hatte diesen Tipp als überflüssig betrachtet. Sorry! Durch Joy und ihre Freundin hatten wir das Glück, inmitten einer Plattensiedlung zu leben und viel über China, Kultur und Menschen kennenzulernen. Chengdu ist eine riesengroße Stadt und man hat das Gefühl, dass sie nicht aufhört zu wachsen. Zwischen den riesigen Hochhäusern wirkt alles winzig klein. Alles pulsiert und inmitten des central square steht der riesige Mao und winkt der Stadt zu. Den Himmel und die Sonne sieht man in Chengdu nicht, denn der Smog verdeckt die Sicht nach oben. Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind unerträglich. Kurzeitig dachte ich zu ersticken, aber der Mensch gewöhnt sich an alles. Außer an Hühnerfüße. Auch fand ich es spannend mal wieder Ampeln zu sehen und richtige Straßen mir Streifen drauf und Autos in einer modernen Form(in Nepal sieht man nur Fahrzeuge, die an eine Mischung aus Traktor und Rasenmäher erinnern). China scheint mir mittlerweilen sehr weit entwickelt und dennoch ist es einer der unterentwickeltsten Länder der Welt. Das größte Land der Welt scheint aus allen Nähten zu platzen und neben Peking und Shanghai ist dies bestimmt nicht die einzige 10 Mio Stadt, die ich nicht kannte. Die Umwelt scheint den Chinesen relativ egal, schmeißen auch hier die Menschen ihren Müll einfach irgendwo hin. Immerhin gibt es hier Mülleimer, denn sowas sucht man in Nepal vergeblich.
Von Chengdu aus haben wir einen Zug nach Nanning genommen und sind direkt weiter zur vietnamesischen Grenze gefahren.