Bruny Island Teil 1

28.March 2012 - Bruny Island


Am 27.03 (Dienstags) habe ich mich entschlossen eine Anzeige bei Gumtree (einer australischen Kleinanzeigenseite im Internet) aufzugeben um meine Jobsuche auf allen Kanälen auszuweiten. Das habe ich getan nachdem schon eine tasmanische Frau bei Facebook über einen Aufruf all ihre Bekannten nach Jobs gefragt hat, ich sämtliche Arbeitgeber - die inseriert hatten - angerufen habe und viele Leute gesprochen habe für die sich die Jobsuche als sehr schwierig gestaltet hat. Zudem gibt es sogenannte Working Hostels, die z.B. mit Obstplantagen oder Bauern zusammenarbeiten, aber teilweise eine Gebühr erheben um einen quasi ?aufzunehmen?. Auf meine Anzeige haben sich tatsächlich ein paar Leute gemeldet. Leider wollen viele jedoch jmd. haben, der seine Mithilfe für Essen und Unterkunft anbietet oder sehr sehr lange verfügbar ist. Eine Frau, die mich gerne zum Reiten ihrer Pferde hätte, hat verstanden, dass ich sechs Monate Zeit hätte und selbst das war ihr zu kurz. Dann hat sich Mark per sms gemeldet: er hätte einen Job auf einer Austernfarm und könnte dort meine Hilfe gebrauchen. Das würde bedeuten pro Woche 4 Tage/ 3 Nächte auf Bruny Island. Ob ich Interesse hätte? Da ich mich über jedes Angebot zunächst tierisch gefreut habe und Bruny Island im Jahr 2008 zu den Top 10 der sehenswertesten Plätze dieser Welt gewählt wurde, habe ich ihn sofort angerufen. Er klang ganz nett und meinte meine Arbeit würde hauptsächlich darin bestehen sein Auto und ihn zu fahren (da er seinen Lappen abgeben musste- warum weiß ich nicht) sowie generelle Tätigkeiten auf der Austernfarm zu verrichten. Ich habe ihn kurz vorgewarnt, dass ich noch nie Linksverkehr gefahren bin, es jedoch gerne lernen würde. Er meinte, dass vor mir ein Typ aus Deutschland für 3 Monate bei ihm gearbeitet hat und er auch mit dem Linksverkehr ganz gut klar gekommen sei, obwohl er in Deutschland seinen Führerschein erst seit zwei Wochen hatte. Wenn ich wollte könnte ich gleich am nächsten Tag mal mit auf die Insel fahren und mir die Farm sowie die Arbeit anschauen und mir überlegen ob das was für mich ist. Und wenn es mir unheimlich wäre am frühen Morgen in das Auto eines Fremden zu steigen, dann könnten wir uns gerne vorher auf einen Kaffee treffen. Dazu wollte er mittags zu meinem Hostel kommen. Eine halbe Stunde später ging mein Telefon nochmal: ob ich nicht zu seinem Haus kommen wollte und dann mal probieren möchte wie ich mit dem Auto( ein alter Pickup) klar komme und mir das Fahren damit im Linksverkehr zutraue. Es wäre wahrscheinlich stressfreier als am nächsten Morgen im dichten Verkehr damit zu starten. Ich hatte zwar ein komisches Gefühl im Magen, aber da ich weiß, dass solche Sachen in Australien ganz üblich sind und ich unbedingt einen Job haben wollte, bin ich mittags zu seinem Haus gegangen. Natürlich nicht ohne vorher Adresse, Telefonummer und seinen Namen an verschiedene Emailadressen zu schicken, außerdem an der Rezeption zu hinterlegen und zudem noch einen Zettel mit einer Nachricht an meine Zimmernachbarin zu schreiben, dass ich ? wenn ich um 18 Uhr nicht zurück bin ? wahrscheinlich gekidnappt worden bin ?. Entgegen all meinen Befürchtungen bin ich weder entführt, verschleppt oder verkauft worden. Ich habe einen netten Engländer vorgefunden, der einen noch viel netteren Hund bzw. Hündin hat und sich erstmal mit mir unterhalten hat und dann so verrückt war mich mit seinem Auto auf den Linksverkehr loszulassen. Erst hat er sich relativ verkrampft am Türgriff festgehalten, war jedoch nach ca. 20 Km aber so entspannt, dass er mir schon erzählt hat ich sei vom Fahren her eine ca. 1000% Verbesserung gegenüber dem Deutschen, der vor mir dort war. Da ich mich relativ gut geschlagen habe, hat er mich gefragt, ob es mir was ausmachen würde noch ein Stück zu fahren ? hat es mir nicht. Also sind wir dann von Hobart bis nach Brighton gefahren und haben gleich ein paar neue Austernsäcke eingeladen. Ich war zwar ziemlich auf den Verkehr konzentriert aber habe trotzdem beeindruckende Landschaftsbilder sehen können. Tasmanien ist eine unglaublich schöne Gegend. Viel Wasser und viel viel Grün. Nachdem alles gut geklappt hat und Mark mir ganz sympathisch war, habe ich mich entschieden am nächsten Morgen mit nach Bruny Island zu fahren. Natürlich wieder nicht ohne vorher ein paar Horrorszenarien aus meinem Kopf zu verbannen?Aber ? heute ist bereits Samstag, der 31.03.2012 ? es geht mir hier sehr gut. Jedenfalls wenn man davon absieht, dass wir hier keine richtige Toilette haben und ich mich auf ein Dixie-Klo bequemen muss, auf dem auch einige Spinnen wohnen. Kein Ort an dem man auch nur eine Sekunde länger als nötig verbringt. Eine richtige Dusche gibt?s auch nicht. Nur eine Gartendusche, also so ein Plastikding, was mit Wasser befüllt wird und zum Aufwärmen in der Sonne hängt. Oder wahlweise den Gartenschlauch. Da ich aber nur von Männern umzingelt bin, werde ich mich wohl auf meinen Waschlappen reduzieren und vier Stunden duschen sobald ich wieder in der Stadt bin ?. Die Nächte verbringe ich in meinem ?eigenen? Wohnwagen. Mark schläft in der Hütte, in der auch eine Art Küchenzeile untergebracht ist, sowie Kühl- und Gefrierschrank, Sessel, eine Couch und Werkzeuge ? eigentlich eine Garage, in der sich jemand mehr oder weniger häuslich niedergelassen hat. Luxus sieht eindeutig anders aus :-D. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber ich muss ja nicht dauerhaft hier wohnen. Mit uns ist noch Royce hier, der den zweiten Wohnwagen bewohnt solange wir hier sind. Ein australischer Kumpel von Mark (der selbst eigentlich aus England kommt, aber schon seit 20 Jahren in Australien lebt). Er hilft momentan hier mit und hat schon einige Projekte mit Mark zusammen gemacht. Er ist ein richtiger Australier ? am Anfang aufgrund des Slangs kaum zu verstehen, aber sehr nett und immer relaxt. Klein und drahtig, aber kann anfassen für drei Kerle. Heute ist ihm das Kappi auf dem Boot vom Kopf geflogen. Nachdem das Ding aus dem Wasser gefischt wurde, kam es ausgewrungen, aber natürlich noch klatschnass so wieder auf den Kopf ?. Er hat mich schon zu einigen Plätzen gebracht, die einfach nur unglaublich schön sind und erklärt mir täglich mind. 20 neue Dinge über die australische bzw. tasmanische Flora und Fauna. Neben seinem Wissen über alle möglichen Themen, wundere ich mich bei ihm seit gestern darüber wie viele Dosen Bier ein Mann trinken kann ohne, dass man ihm auch nur irgendwas anmerkt ? abgesehen von der Fahne ?. Neben dem Australien Football (der meiner Meinung nach so viele Regeln hat, dass man ihn nur versteht, wenn man damit aufgewachsen ist), ist das Biertrinken wohl eines der Nationalhobbies der Einheimischen. Ich weiß nun aber z.B. wie man ein Opossum anfassen muss ohne das es einem den Arm mit seinen Krallen aufschlitzt (nicht das ich bisher eines gesehen hätte oder auch nur im entferntesten beabsichtige eines zu fangen), wo ein Flathead-Fisch seine Stacheln hat und das man nach einem Stich die betroffene Stelle am Bauch des Fisches reiben muss, sondern auch dass Seelöwen in die Käfige der Lachsfarmen springen, genauso wie Haie und die Netze deshalb auch von oben ein Gestell aufgesetzt bekommen. Außerdem wirkt Marihuana nicht bei allen Säugetieren gleich ? so werden Vögeln und Katzen z.B. nicht high, Hunde jedoch schon. Das liegt an einem bestimmten Botenstoff im Gehirn, der je nach Art mal mehr, mal weniger oder eben gar nicht vorhanden ist. Wenn man von einem Stachelrochen gestochen oder von einer sehr gefährlichen Quallenart gebrannt wird, dann muss man die entsprechende Stelle unter so heißes Wasser wie möglich halten. Pinguine hier legen 1 bis 2 Eier und krabbeln auch 50 m hohe Dünen am Strand hinauf um ihre Nester möglichst geschützt zu halten. Den Tag verbringen sie im tiefen Wasser und kommen erst nach Sonnenuntergang im Dunkeln an Land. So, so viel zur kurzen Einheit an Wissen, das die Welt nicht braucht. Es sei denn man ist in Australien oder beabsichtigt sich mit wilden Tieren einzulassen.
Nun noch zu meinen Aufgaben hier. Am ersten Tag hatte ich ziemliche Schonfrist und habe mehr zugeschaut als wirklich anpacken zu müssen. Einziges Negativerlebnis: ich habe eine rohe Auster probiert. Ergebnis: ich werde wohl nie zu den Menschen gehören, die dafür eine Menge Geld ausgeben. Gegrillt oder so mag das ja gehen, aber roh ? nein danke. Die Männer hatten jedenfalls ihren Spaß. Wenigstens jemand? Wirklich erklären kann man die Arbeit mit den Austern wohl nur, wenn ich ein paar Fotos dazu zeige, um zu erklären was wie gemacht wird. Ich kann aber berichten, dass die Dinger rasiermesserscharfe Kanten haben und man immer Handschuhe anhaben sollte wenn man mit ihnen arbeitet. Ansonsten sehen Hände ganz schnell danach aus, als würde man im Minutentakt testen ob Cuttermesser noch scharf genug sind. Die Austern werden je nach Größe in verschiedenen Körben im Meer gehalten. Je nachdem in welchem Entwicklungsstadium sie sich befinden, haben die Körbe verschieden große Löcher und werden an unterschiedlichen Stationen im Wasser untergebracht. Entweder an der Longline, einem Seil im tiefen Wasser, befestigt oder in Küstennähe auf ?Racks?, d.h. Stegen untergebracht, auf denen sie befestigt werden. In einem bestimmten Rhythmus werden die Körbe aus dem Wasser geholt und ?gegradet?, d.h. durch eine Rüttelmaschine geschickt, in der sie durch unterschiedlich große Öffnungen in verschiedene Boxen fallen. Die Austern werden dann wieder neu in die entsprechenden Körbe gepackt, geschlossen und auf bzw. in das Wasser gebracht. Eine ganz schöne Schlepperei. Viel schlimmer ist es aber die Körbe (jeweils drei übereinander) aus dem Wasser zu ziehen, weil sie dann natürlich voll mit Wasser sind. Dann werden die Seile gelöst, die Körbe auf dem Boot so verteilt, dass wir nicht absaufen und dann an Land gebracht oder im Flachwasser auf die Racks gebracht. Die Farm befindet sich übrigens auf Bruny Island und die Bucht hier heißt Great Bay (nur für den Fall, dass jmd. Das mal näher nachschauen möchte).